Landarztgesetz angekündigt - lokale Gesundheitszentren?
Verfasst: 09.07.2014, 06:54
Sachverständigengutachten: Gröhe kündigt neues Landarztgesetz an
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will „in Kürze“ ein Gesetz auf den Weg bringen, um die medizinische Versorgung in strukturschwachen Regionen zu verbessern. Das kündigte er bei der Vorstellung des neuen Gutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen an. Die Versorgung auf dem Land habe für die Koalition eine „sehr hohe Bedeutung“ und das Gutachten liefere „wertvolle Impulse“, so der Minister. Die Sachverständigen konzentrieren sich erstmalig seit ihrem Gutachten von 2000/2001 wieder auf Über-, Unter- und Fehlversorgung und mahnen eine stärker am Bedarf orientierte Versorgung an. In Ballungsräumen herrsche zumeist Überversorgung, auf dem Land drohe teilweise im ambulanten Bereich Unterversorgung. Die Gesundheitsweisen empfehlen unter anderem die Einführung lokaler Gesundheitszentren auf dem Land.
Kommentar:
Das Geld muss der Leistung folgen, lautet ein altes Motto der Ärzteschaft. Wer aber folgt dem Bedarf? Anscheinend zu wenige, daran hat auch das sogenannte Landarztgesetz vor zwei Jahren nicht viel geändert. Die Ärzte knubbeln sich immer noch in der Stadt, auf dem Land machen sie sich allmählich rar. Oder mit den Worten des obersten Gesundheitsweisen Ferdinand Gerlach:„Die meisten Ärzte arbeiten dort, wo sie am wenigsten gebraucht werden.“ Lokale Gesundheitszentren auf dem Lande einführen zu wollen, ist ein guter Vorschlag, zumal die Generation Y, die auch und gerade unter den jungen Ärzten zu finden ist, die damit verknüpften Angestelltenverhältnisse und Teilzeitangebote attraktiv findet. Die Patienten wird‘s freuen, auch weil die Zentren neben Ärzten möglichst noch Pfleger anstellen sollen. Das ist, nebenbei bemerkt, ein guter Beitrag, um Barrieren zwischen den Versorgungsbereichen abzubauen. (ink)
«BLICKPUNKT HINTERGRUND»
■ Gutachten: Sachverständigenrat mahnt bedarfsgerechtere Versorgungsangebote an
Sind die Ressourcen in der medizinischen Versorgung richtig verteilt?
Dieser Frage geht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung
im Gesundheitswesen in seinem jüngsten Gutachten nach. Er meint:
An vielen Stellen muss die Politik umsteuern, damit die Versorgung sich
besser am Bedarf orientieren kann.
Gut 13 Jahre ist es her, da legten die sogenannten Gesundheitsweisen ein
Gutachten vor, das bereits durch seinen Titel für Aufmerksamkeit sorgte.
Thematisiert wurden „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ im deutschen Gesundheitswesen.
Damals konzentrierten sich die Sachverständigen auf mögliche
Versorgungsprobleme im Falle einzelner Erkrankungen. Seit dieser Zeit
sind etwa alle zwei Jahre Gutachten erschienen, beispielsweise zu mehr Kooperation
und Integration der Versorgung vor dem Hintergrund der demografischen
Entwicklung. Doch erst das Ende Juni 2014 erschienene Gutachten
„Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte
Leistungsbereiche“ widmet sich wieder der Fehlverteilung von Kapazitäten.
Es beleuchtet diesmal vor allem zwei Aspekte, die die ambulante
Versorgung betreffen und deren jeweilige Entwicklung die Sachverständigen
als „besorgniserregend“ einstufen: die Unterschiede zwischen ländlichen
und städtischen Regionen sowie zwischen hausärztlicher Grund- und
spezialisierter Facharztversorgung.
» Zuschläge und Gesundheitszentren:
Ambulante Versorgung auf dem Land sichern
Der Sachverständigenrat ist der Ansicht, dass das Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz,
das Versorgungsstrukturgesetz und diverse Reformen der vertragsärztlichen
Bedarfsplanung bislang zu wenig erreicht haben: In vielen
Städten herrscht immer noch ein Überangebot an niedergelassenen Medizinern,
in einigen ländlichen Regionen werden die Ärzte, insbesondere Hausärzte
knapp. Verschärft wird das Problem dadurch, dass demnächst besonders
viele Hausärzte – nach Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
sind es bis 2021 jährlich rund 2.200 – in Ruhestand gehen, zugleich
Jungmediziner vor allem in den spezialisierten, aber kaum noch in den hausärztlichen
Bereich drängen. Laut Sachverständigenrat werden nur noch zehn
Prozent der Abschlüsse in den Fächern Allgemeinmedizin und Innere Medizin
gemacht. Nötig sei eigentlich die doppelte Zahl.
Um die Landarzttätigkeit attraktiver zu gestalten, schlägt der Sachverständigenrat
unter anderem Folgendes vor:
- Eingeführt wird ein Landarztzuschlag, das heißt ein Vergütungszuschlag
von 50 Prozent für zehn Jahre, wenn in einem Planungsbereich weniger
als 90 Prozent der vorgesehenen Hausärzte oder weniger als 75 grundversorgende
Fachärzte praktizieren. Er soll für die Regelversorgung,
eventuell auch für Selektivverträge gelten.
- Ist ein Planungsbereich zu 200 Prozent oder mehr versorgt
(Ausnahmen gelten für Psychotherapeuten), müssen Kassenärztliche
Vereinigungen freiwerdende Arztsitze aufkaufen.
- Medizinische Fakultäten erhalten finanzielle Anreize, die Ausbildung
in der Allgemeinmedizin zu fördern.
- Eingeführt werden zentralisierte und regional vernetzte Einrichtungen
in ländlichen Gebieten. Der Sachverständigenrat nennt sie „Lokale Gesundheitszentren
zur Primär- und Langzeitversorgung“ (LGZ). Sie sichern
ein hohes Versorgungsniveau und bieten Ärzten und Pflegekräften
attraktive (Teilzeit-)Arbeitsplätze. Der im Koalitionsvertrag vorgesehene
Innovationsfonds soll die LGZ bei der Vergabe von Fördergeldern möglichst
berücksichtigen, also bei der Erprobung und Etablierung unterstützen.
» Kliniken: Qualitätsorientierung ist richtig
Im stationären Bereich, so meint der Sachverständigenrat, bestehe insgesamt
ein Überangebot an Versorgungskapazitäten. Doch es gelte nicht nur, Überkapazitäten
in den Ballungsräumen abzubauen, sondern auch, „die wirtschaftliche
Überlebensfähigkeit von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern in dünnbesiedelten
Regionen“ zu sichern. Außerdem müssten Strukturreformen
dafür sorgen, dass höher spezialisierte Leistungen nur in Kliniken erbracht
würden, die auch die notwendige Qualität liefern könnten. Die im Koalitionsvertrag
vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität unterstützt
der Sachverständigenrat. Darüber hinaus setzt er sich für die Einrichtung
eines Fonds ein, mit dessen Hilfe Überkapazitäten abgebaut werden sollen.
Einen solchen Abwrackfonds hatte die Große Koalition zunächst erwogen,
dann aber nicht in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen.
» Vorschläge zu Pflege, Reha, Arzneimittel und Medizinprodukten
Der Sachverständigenrat hat neben der ambulanten und stationären Versorgung
auch die Situation in der Pflege, in der Rehabilitation und der Arzneimittelversorgung
analysiert. Da die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, meint er, sei
„in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung ein Ausbau der Kapazitäten
unabdingbar“. Deshalb setzt er sich unter anderem für die Entwicklung neuer
Muster der Kooperation und Aufgabenteilung zwischen den Gesundheitsberufen
sowie für die baldige Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
ein. Bei der Rehabilitation plädiert das Gremium für die Ausschöpfung von
Effizienzreserven und mehr Forschungsförderung. Außerdem spricht es sich
für eine klare Trennung von Kostenträgern und Leistungserbringern ein, was
auch auf eine Privatisierung oder Kommunalisierung von Eigeneinrichtungen
hinauslaufen könnte. In der Arzneimittelversorgung macht sich der Sachverständigenrat
für eine Reform der Apothekerhonorare stark, die zu mehr
Wettbewerb unter den Apotheken führen soll. Außerdem rüttelt er am Fremdund
Mehrbesitzverbot. Für Medizinprodukte mit erhöhtem oder hohem Risikopotenzial
fordert er eine europaweite zentrale Zulassung mit Nachweis
von Sicherheit und Wirksamkeit.
Infos: http://www.svr-gesundheit.de
Quelle: Ausgabe des G+G-Blickpunkt 07/2014
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will „in Kürze“ ein Gesetz auf den Weg bringen, um die medizinische Versorgung in strukturschwachen Regionen zu verbessern. Das kündigte er bei der Vorstellung des neuen Gutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen an. Die Versorgung auf dem Land habe für die Koalition eine „sehr hohe Bedeutung“ und das Gutachten liefere „wertvolle Impulse“, so der Minister. Die Sachverständigen konzentrieren sich erstmalig seit ihrem Gutachten von 2000/2001 wieder auf Über-, Unter- und Fehlversorgung und mahnen eine stärker am Bedarf orientierte Versorgung an. In Ballungsräumen herrsche zumeist Überversorgung, auf dem Land drohe teilweise im ambulanten Bereich Unterversorgung. Die Gesundheitsweisen empfehlen unter anderem die Einführung lokaler Gesundheitszentren auf dem Land.
Kommentar:
Das Geld muss der Leistung folgen, lautet ein altes Motto der Ärzteschaft. Wer aber folgt dem Bedarf? Anscheinend zu wenige, daran hat auch das sogenannte Landarztgesetz vor zwei Jahren nicht viel geändert. Die Ärzte knubbeln sich immer noch in der Stadt, auf dem Land machen sie sich allmählich rar. Oder mit den Worten des obersten Gesundheitsweisen Ferdinand Gerlach:„Die meisten Ärzte arbeiten dort, wo sie am wenigsten gebraucht werden.“ Lokale Gesundheitszentren auf dem Lande einführen zu wollen, ist ein guter Vorschlag, zumal die Generation Y, die auch und gerade unter den jungen Ärzten zu finden ist, die damit verknüpften Angestelltenverhältnisse und Teilzeitangebote attraktiv findet. Die Patienten wird‘s freuen, auch weil die Zentren neben Ärzten möglichst noch Pfleger anstellen sollen. Das ist, nebenbei bemerkt, ein guter Beitrag, um Barrieren zwischen den Versorgungsbereichen abzubauen. (ink)
«BLICKPUNKT HINTERGRUND»
■ Gutachten: Sachverständigenrat mahnt bedarfsgerechtere Versorgungsangebote an
Sind die Ressourcen in der medizinischen Versorgung richtig verteilt?
Dieser Frage geht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung
im Gesundheitswesen in seinem jüngsten Gutachten nach. Er meint:
An vielen Stellen muss die Politik umsteuern, damit die Versorgung sich
besser am Bedarf orientieren kann.
Gut 13 Jahre ist es her, da legten die sogenannten Gesundheitsweisen ein
Gutachten vor, das bereits durch seinen Titel für Aufmerksamkeit sorgte.
Thematisiert wurden „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ im deutschen Gesundheitswesen.
Damals konzentrierten sich die Sachverständigen auf mögliche
Versorgungsprobleme im Falle einzelner Erkrankungen. Seit dieser Zeit
sind etwa alle zwei Jahre Gutachten erschienen, beispielsweise zu mehr Kooperation
und Integration der Versorgung vor dem Hintergrund der demografischen
Entwicklung. Doch erst das Ende Juni 2014 erschienene Gutachten
„Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte
Leistungsbereiche“ widmet sich wieder der Fehlverteilung von Kapazitäten.
Es beleuchtet diesmal vor allem zwei Aspekte, die die ambulante
Versorgung betreffen und deren jeweilige Entwicklung die Sachverständigen
als „besorgniserregend“ einstufen: die Unterschiede zwischen ländlichen
und städtischen Regionen sowie zwischen hausärztlicher Grund- und
spezialisierter Facharztversorgung.
» Zuschläge und Gesundheitszentren:
Ambulante Versorgung auf dem Land sichern
Der Sachverständigenrat ist der Ansicht, dass das Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz,
das Versorgungsstrukturgesetz und diverse Reformen der vertragsärztlichen
Bedarfsplanung bislang zu wenig erreicht haben: In vielen
Städten herrscht immer noch ein Überangebot an niedergelassenen Medizinern,
in einigen ländlichen Regionen werden die Ärzte, insbesondere Hausärzte
knapp. Verschärft wird das Problem dadurch, dass demnächst besonders
viele Hausärzte – nach Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
sind es bis 2021 jährlich rund 2.200 – in Ruhestand gehen, zugleich
Jungmediziner vor allem in den spezialisierten, aber kaum noch in den hausärztlichen
Bereich drängen. Laut Sachverständigenrat werden nur noch zehn
Prozent der Abschlüsse in den Fächern Allgemeinmedizin und Innere Medizin
gemacht. Nötig sei eigentlich die doppelte Zahl.
Um die Landarzttätigkeit attraktiver zu gestalten, schlägt der Sachverständigenrat
unter anderem Folgendes vor:
- Eingeführt wird ein Landarztzuschlag, das heißt ein Vergütungszuschlag
von 50 Prozent für zehn Jahre, wenn in einem Planungsbereich weniger
als 90 Prozent der vorgesehenen Hausärzte oder weniger als 75 grundversorgende
Fachärzte praktizieren. Er soll für die Regelversorgung,
eventuell auch für Selektivverträge gelten.
- Ist ein Planungsbereich zu 200 Prozent oder mehr versorgt
(Ausnahmen gelten für Psychotherapeuten), müssen Kassenärztliche
Vereinigungen freiwerdende Arztsitze aufkaufen.
- Medizinische Fakultäten erhalten finanzielle Anreize, die Ausbildung
in der Allgemeinmedizin zu fördern.
- Eingeführt werden zentralisierte und regional vernetzte Einrichtungen
in ländlichen Gebieten. Der Sachverständigenrat nennt sie „Lokale Gesundheitszentren
zur Primär- und Langzeitversorgung“ (LGZ). Sie sichern
ein hohes Versorgungsniveau und bieten Ärzten und Pflegekräften
attraktive (Teilzeit-)Arbeitsplätze. Der im Koalitionsvertrag vorgesehene
Innovationsfonds soll die LGZ bei der Vergabe von Fördergeldern möglichst
berücksichtigen, also bei der Erprobung und Etablierung unterstützen.
» Kliniken: Qualitätsorientierung ist richtig
Im stationären Bereich, so meint der Sachverständigenrat, bestehe insgesamt
ein Überangebot an Versorgungskapazitäten. Doch es gelte nicht nur, Überkapazitäten
in den Ballungsräumen abzubauen, sondern auch, „die wirtschaftliche
Überlebensfähigkeit von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern in dünnbesiedelten
Regionen“ zu sichern. Außerdem müssten Strukturreformen
dafür sorgen, dass höher spezialisierte Leistungen nur in Kliniken erbracht
würden, die auch die notwendige Qualität liefern könnten. Die im Koalitionsvertrag
vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität unterstützt
der Sachverständigenrat. Darüber hinaus setzt er sich für die Einrichtung
eines Fonds ein, mit dessen Hilfe Überkapazitäten abgebaut werden sollen.
Einen solchen Abwrackfonds hatte die Große Koalition zunächst erwogen,
dann aber nicht in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen.
» Vorschläge zu Pflege, Reha, Arzneimittel und Medizinprodukten
Der Sachverständigenrat hat neben der ambulanten und stationären Versorgung
auch die Situation in der Pflege, in der Rehabilitation und der Arzneimittelversorgung
analysiert. Da die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, meint er, sei
„in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung ein Ausbau der Kapazitäten
unabdingbar“. Deshalb setzt er sich unter anderem für die Entwicklung neuer
Muster der Kooperation und Aufgabenteilung zwischen den Gesundheitsberufen
sowie für die baldige Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
ein. Bei der Rehabilitation plädiert das Gremium für die Ausschöpfung von
Effizienzreserven und mehr Forschungsförderung. Außerdem spricht es sich
für eine klare Trennung von Kostenträgern und Leistungserbringern ein, was
auch auf eine Privatisierung oder Kommunalisierung von Eigeneinrichtungen
hinauslaufen könnte. In der Arzneimittelversorgung macht sich der Sachverständigenrat
für eine Reform der Apothekerhonorare stark, die zu mehr
Wettbewerb unter den Apotheken führen soll. Außerdem rüttelt er am Fremdund
Mehrbesitzverbot. Für Medizinprodukte mit erhöhtem oder hohem Risikopotenzial
fordert er eine europaweite zentrale Zulassung mit Nachweis
von Sicherheit und Wirksamkeit.
Infos: http://www.svr-gesundheit.de
Quelle: Ausgabe des G+G-Blickpunkt 07/2014