Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gast

Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Beitrag von Gast » 05.08.2003, 11:16

Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Trifft es zu, dass Pflegekräfte im Krankenhaus oder Heim als Dolmetscher bzw. Übersetzer eingesetzt werden können?
Wer hat Infos? Danke für alle Rückmeldungen!

MfG Walter Bockelmann

Gast

Re: Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Beitrag von Gast » 06.08.2003, 11:09

Hallo Walter,
zu Deiner Fragestellung hat sich kürzlich das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt geäußert (Az.: 15Ca3392/02).
Das Gericht entschied, dass sich das Pflegepersonal eines Krankenhauses grundsätzlich nicht weigern darf, mit einem Patienten in dessen Muttersprache zu sprechen, wenn die betreffende Pflegeperson diese Sprache tatsächlich beherrscht. Aus diesem Grund verweigerte das ArbG Frankfurt die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte einer Krankenschwester. Die Krankenschwester hatte mit einem Patienten nur Deutsch gesprochen, obwohl es ihr auf Grund ihrer Fremdsprachenkenntnisse möglich gewesen wäre, auch in der Muttersprache des Patienten zu sprechen.
Gruß Berti

WernerSchell
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Re: Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Beitrag von WernerSchell » 07.08.2003, 12:21

Sehr geehrter Herr Bockelmann,

zum Thema: Dolmetscher-/Übersetzer-Tätigkeit - Können Pflegekräfte hierzu herangezogen werden?
haben wir uns bereits früher einmal (im archivierten Forum) geäußert.
Hier noch einmal eine Antwort ( vom 9.10.2001 ):

Die jeweiligen Ärzte müssen sicherstellen, dass die Patienten im erforderlichen Umfange aufgeklärt werden. Dabei können sich bei nicht deutsch sprechenden Patienten Probleme ergeben. Die Ärzte müssen aber auf jeden Fall sicherstellen, dass trotz Verständigungsschwierigkeiten den nicht deutsch sprechenden Patienten ein allgemeines Bild von der jeweils vorgesehenen Behandlung und der möglichen Risiken vermittelt wird. Bei ausländischen Patienten müssen daher Ärzte zwangsläufig zum Aufklärungsgespräch sprachkundige Personen hinzuziehen, wenn nicht ohne weiteres sicher ist, dass die Patienten die deutschen Erklärungen verstehen; die Beweislast dafür liegt beim Arzt. Verletzt der Arzt einem ausländischen Patienten gegenüber schuldhaft seine Aufklärungspflicht, kann dies vor allem haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Die auf einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Aufklärung erfolgende Behandlung ist im Allgemeinen rechtswidrig. Zwei Gerichtsentscheidungen verdeutlichen die Rechtslage: Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.10.1989 - 8 U 60/88 - ( NJW 1990, S. 771f. ) und Urteil des OLG Stuttgart vom 7.1.1993 - 14 - U49/92 ( Sträßner, H. in Zeitschrift „PflegeRecht, Heft 3-4/1998 ).
Es bestehen nach hiesiger Überzeugung keine Bedenken dagegen, Pflegekräfte unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze zu einer Dolmetschertätigkeit heranzuziehen. Unter Umständen kann es jedoch ratsam sein, einen ausgebildeten Dolmetscher beizuziehen. Solche Fragen können z.B. durch eine Dienstanweisung näher geregelt werden.
Eine Haftung richtet sich immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalles; in erster Linie sind wohl Ärzte und Krankenhausträger in der Pflicht und damit verantwortlich. Dies schließt aber grundsätzlich eine (Mit)Haftung eines übersetzenden Mitarbeiters nicht gänzlich aus. Gesetzliche Regelungen, die die angesprochenen Fragen ausdrücklich regeln, sind hier nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Team Werner Schell

PS.: Die von Berti vorgestellte Entscheidung des ArbG Frankfurt können wir vom Ergebnis her als richtig bezeichnen.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gast

Die deutsche Sprache sprechen!

Beitrag von Gast » 08.08.2003, 11:06

Die hier vorgestellten Rechtsgrundsätze kann ich nachvollziehen - sie sind sicherlich gut und richtig.

Aber: Wir müssen dafür sorgen, dass in unseren Krankenhäusern und Heimen von allen - Nutzern (Patienten, Bewohner) und Mitarbeitern - die deutsche Sprache gesprochen wird.

Es ist einfach nicht akzeptabel, dass in manchen Einrichtungen mehrere Personen angesprochen werden müssen, bis man endlich jemanden findet, der der deutschen Sprache noch mächtig ist.

Wenn wir in unserem Sozialleistungssystemen ein Sprachenwirrwarr zulassen oder gar fördern, sind wir auf einem Irrweg!

Konstantin Dümmig

WernerSchell
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Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht

Beitrag von WernerSchell » 27.09.2018, 12:26

Ärztliche Risikoaufklärung bei einem kaum Deutsch sprechenden Patienten

Ein Arzt hat sich bei der OP-Aufklärung eines Patienten, der kaum Deutsch spricht, darüber zu vergewissern, dass der als Dolmetscher agierende Familienangehörige seine Erläuterungen verstanden hat und sich durch Rückfrage an den Patienten einen Eindruck davon verschaffen, ob dieser die Aufklärung verstanden hat. Willigt der Patient nach einer solchen "übersetzten" Aufklärung in die Operation ein, obwohl er bis auf einen Blick auf einen Prothesenmodell über keinerlei weiteren Informationen hinsichtlich der Eingliederung einer Hüft-Endoprothese verfügt, so ist es nicht plausibel, dass er, wenn er über das operationsimmanente Risiko einer Nervenschädigung, welches lediglich bei 2 % liegt, aufgeklärt worden wäre, ernsthafter vor der Frage gestanden hätte, die Operation nicht durchzuführen.

Urteil des OLG Köln vom 09.12.2015, Az.: 5 U 184/14
Downlaod > https://openjur.de/u/877240.html

Weitere Informationen
> https://www.iww.de/quellenmaterial/id/188951
> https://www.aerztezeitung.de/praxis_wir ... ieren.html
> Ärztliche Aufklärung fremdsprachiger Patienten – Neue Anforderungen! von Rechtsanwalt Dr. Albrecht Wienke > https://thieme-compliance.de/fileadmin/ ... r_2017.pdf
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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