Künstliche Ernährung und Patientenverfügung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Künstliche Ernährung und Patientenverfügung

Beitrag von WernerSchell » 04.08.2017, 17:43

Künstliche Ernährung und Patientenverfügung

Autor des Beitrages: Dr. med. Erhard Waldhausen,
Neuss - E-Mail-Adresse für Kommunikation: ewaldhausen@web.de


Kurzfassung des Beitrages - die Langfassung ist unten als pdf-Datei angefügt und kann von dort aufgerufen werden.
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Achtzig Prozent der Deutschen wünschen sich für ihr Lebensende einen schmerzfreien und angstlosen Tod. Aus Erfahrungen mit Angehörigen und aus Medienberichten haben viele Menschen eine Horrorvision: Mit schweren Schäden an Gehirn und Körper apparativ beatmet und künstlich ernährt mit einem künstlich verlängerten Sterbeprozess nicht sterben zu dürfen. Die Apotheken Umschau mit 4 Millionen gedruckten Exemplaren und 10 Millionen Lesern konkretisiert diese Vorstellungen.

Die Apotheken Umschau vom 1. April 2017 zitiert einerseits Dr. Peter Demmel, ärztlicher Gutachter für Außerklinische Intensivpflege beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK):
Über einen Luftröhrenschnitt beatmete Patienten, die nicht vom Beatmungsapparat abtrainiert werden könnten, würden über eine Magensonde künstlich ernährt und könnten so viele Jahre überleben, aber wohl immer begleitet von Todesangst. Die Zahl der langfristig apparativ beatmeten und künstlich ernährten Patienten würde auf 15.000 bis 30.000 geschätzt.
Andererseits verweist Dr. Achim G. Schneider auf drei wichtige Dokumente:
Mit einer Patientenverfügung kann jeder Deutsche selbst bestimmen, welche medizinischen Maßnahmen Ärzte ergreifen sollen und welche der Patient ablehnt.
Mit einer Vorsorgevollmacht können Angehörige entscheiden, ob Patienten, die einen schweren Hirnschaden erlitten haben und das Pflegebett nie wieder verlassen können, durch eine Magensonde künstlich ernährt werden sollen.
Die Betreuungsverfügung ist wichtig für den Fall, dass es doch zu einem gerichtlichen Betreuungsverfahren kommt. Das Gericht muss dann berücksichtigen, wen man sich als Betreuer wünscht und wen nicht.

Die dominierenden Mediziner, Juristen und Politiker sowie der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 6. Juli 2016 – XII ZB 61/16) gehen fälschlich davon aus, dass eine künstliche Ernährung eine lebenserhaltende Maßnahme im Interesse des Patienten ist.

Als ehemaliger Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin im Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss demonstriere ich hier: „Die künstliche Ernährung“ ist zahlenmäßig die größte Tragödie der Medizingeschichte. Wir haben früher die künstliche Ernährung für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Die Intensivstation ist damals von Ärzten, Schwestern und Pflegern als „Hölle auf Erden“ empfunden worden, weil trotz aller Bemühungen aus unerklärlichen Gründen Koma und Muskellähmungen entstanden, sodass eine apparative Beatmung erforderlich wurde und Patienten am sogenannten Multiorganversagen mit den Zeichen für eine Sepsis (bakterielle Blutvergiftung) verstarben oder nicht vom Beatmungsapparat abtrainiert werden konnten
In den 1980er Jahren ist mir bewusstgeworden: In akuter Erkrankung vergeht der Appetit und die künstliche Ernährung enthält Glukose (Traubenzucker). Ich habe Lehrbücher der Biochemie und der Neurologie aus dem Medizinstudium rekapituliert und realisiert:
Glukose ist normalerweise ein Hauptbrennstoff. Aber in Nahrungsmangel und schweren Erkrankungen stellt sich der Organismus auf Verbrennung von Fett und Eiweiß aus der eigenen Substanz um. Die Glukose aus der künstlichen Ernährung wird nicht normal verbrannt, sondern kann das Zuckerkoma mit Schäden an Nerven, Muskeln und allen Organen verursachen.
In Fachzeitschriften haben wir publiziert: Bei drei Prozent der künstlich ernährten Patienten sind Koma und Muskellähmungen entstanden. Nach Absetzen der künstlichen Ernährung haben die Patienten sich wieder erholt. Seitdem wir die Ernährung nach Operationen und schweren Erkrankungen mit Essen von Fleischbrühe und Zwieback nach „Appetit“ beginnen, sind die Typischen Effekte der glukosehaltigen künstlichen Ernährung nicht mehr entstanden. In der deutschen intensivmedizinischen Literatur ist das nie aufgegriffen worden.

Vor hundert Jahren hat der Ernährungswissenschaftler FG Benedict demonstriert: Ohne Essen - nur mit Trinken von Wasser – überleben Menschen 30 Tage ohne erkennbare Schäden.
Seit Menschengedenken sind Rinderbrühe und Hühnersuppe als Krankennahrung bekannt. Fleischbrühe enthält das Gleiche, was der Organismus sich in Nahrungsmangel und Erkrankung als Brennstoff aus der eigenen Substanz holt: Fett und leicht lösliches Eiweiß.

Das ehemalige Bundesgesundheitsamt (BGA) hat am 11. März 1986 das Merkblatt Kohlenhydratintoleranzen im Bundesanzeiger Nr. 93a, Jahrgang 38, bekannt gemacht. Es besagt: In der Glukoseintoleranz in schweren Erkrankungen kann künstliche Ernährung hyperglykämische Komata induzieren. Die Sterblichkeit nimmt mit der Dosierung der Glukose und der Schwere der Erkrankung zu.

In einer Patientenverfügung und in einer Vorsorgevollmacht soll jegliche künstliche Ernährung in akuten Erkrankungen in Krankenhäusern wegen nicht vorhersehbarer lebensbedrohlicher Effekte ausgeschlossen werden.

Autor: Dr. med. Erhard Waldhausen
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WernerSchell
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Künstliche Ernährung und Patientenwille

Beitrag von WernerSchell » 22.12.2017, 07:40

Aktuelle Info!
Das OLG München hat mit Urteil vom 21.12.2017 - Az. 1 U 454/17 - die Patientenautonomie am Lebensende gestärkt: Ein (ererbter) Schmerzensgeldanspruch nach rechtswidriger künstlicher Ernährung mittels PEG-Sonde wurde bestätigt. >>> viewtopic.php?f=2&t=22424&p=101389#p101389
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