Ein Arzt darf eine fehlerhafte Behandlung auch auf Drängen des Patienten nicht durchführen
Eine medizinisch fehlerhafte (kontraindizierte) Behandlung darf ein Arzt auch auf nachdrücklichen Wunsch des Patienten nicht durchführen. Führt ein Arzt die Behandlung gleichwohl durch, kann er sich bei einer Patientenschädigung nicht darauf berufen, den Patienten treffe wegen seines Drängens ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden.
Der Fall:
Ein 1973 geborener Patient (Kläger) war seit seiner Kindheit stark weitsichtig. Das Tragen einer Brille empfand er als störend. Als er 1993 von der damals neuen Methode einer Laserbehandlung hörte, nahm er einen Arzt in Anspruch, der diese Behandlung bei ihm durchführe. Der Arzt operierte den Patienten im Oktober 1993 an beiden Augen. Nachdem zunächst ein Erfolg eintrat, verschlechterten sich die Augen bald wieder. Der Arzt wiederholte deshalb im Februar 1994 die Behandlung an beiden Augen. In der Folge kam es zu Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit des Patienten durch Narbenbildung an der Hornhaut. Der Arzt operierte den Kläger in den Jahren 1995 bis 1997 noch sechsmal. Inzwischen ist die Sehfähigkeit an beiden Augen durch Veränderungen der Hornhaut stark beeinträchtigt; eine Verbesserung ist auch mit einer Brille nicht zu erzielen. Der Patient verlangte daraufhin vom Arzt Schmerzensgeld und Verdienstausfall. Das Landgericht (LG) Baden-Baden verurteilte den Arzt, weil er den Patienten nicht ausreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt habe. Das vom Arzt im Wege der Berufung angerufene Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat die Verurteilung des Arztes im Ergebnis bestätigt. Es hat jedoch einen Aufklärungsfehler verneint und den Arzt nach Anhörung eines Sachverständigen wegen grober Behandlungsfehler verurteilt.
Entscheidungsgründe:
Ein Behandlungsfehler sei bereits darin zu sehen, dass der Arzt den Patienten im Februar 1994 erneut an beiden Augen operierte. Zum damaligen Zeitpunkt sei die photorefraktive Keratektomie noch nicht wissenschaftlich anerkannt gewesen. Deshalb, aber auch wegen der kurzen Zeit seit der ersten Operation (Oktober 1993) sei es unverantwortlich gewesen, die Operation an beiden Augen zugleich zu wiederholen. Grobe Behandlungsfehler seien darin zu sehen, dass der Arzt den Patienten dann 1996 (links) und 1997 (rechts) zum wiederholten Male laserchirurgisch behandelte, obwohl die vorangegangenen Operationen gezeigt hätten, dass der Patient zur Narbenbildung an der Hornhaut neige. Es entlaste den Arzt nicht, dass der Patient in der Hoffnung auf Besserung auf eine weitere Behandlung gedrängt habe. Eine medizinisch fehlerhafte (kontraindizierte) Behandlung dürfe der Arzt auch auf nachdrücklichen Wunsch des Patienten nicht durchführen. Führe der Arzt die Behandlung gleichwohl durch, könne er sich auch nicht darauf berufen, den Patienten treffe wegen seines Drängens ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden. Dem Patienten stehe daher in vollem Umfang Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- Euro und Ersatz des entgangenen Lohns zu.
Urteil des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 11.09.2002 - 7 U 102/01 – (rechtskräftig)
Fehlerhafte Behandlung - auch nicht auf Patientendrängen!
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