Ärztliche Leistungen zum 2,3fachen des Gebührensatzes

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Ärztliche Leistungen zum 2,3fachen des Gebührensatzes

Beitrag von Presse » 09.11.2007, 09:54

Bundesgerichtshof entscheidet über Abrechnung ärztlicher Leistungen zum 2,3fachen des Gebührensatzes

Der Beklagte befand sich in ambulanter privatärztlicher Behandlung des Klägers, eines Augenarztes. Dieser rechnete seine Leistungen, darunter eine Operation des linken Auges wegen Grauen Stars, mit insgesamt 4.074,56 DM ab. Abgesehen von vier näher begründeten Gebührenpositionen, die mit dem Faktor 3,5 abgerechnet wurden, und drei Zuschlägen, die nur mit dem Einfachen des Gebührensatzes berechnungsfähig sind, enthielt die Rechnung für die persönlich-ärztlichen Leistungen ausschließlich den Faktor 2,3 und für die medizinisch-technischen Leistungen den Faktor 1,8, das sind die Höchstsätze der jeweiligen Spanne, innerhalb deren der Arzt seine Leistungen in der Regel abzurechnen hat. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung der Rechnung, weil er sie für überhöht hielt. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig ab, weil es die Auffassung vertrat, die schematische Abrechnung des Höchstwerts der Regelspanne erfülle die Klagbarkeitsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 GOÄ nicht. Auf die Berufung entsprach das Landgericht der Klage in Höhe von 1.957,84 € nebst Zinsen und wies sie im Übrigen ab. Dabei hielt es anstelle der abgerechneten Höchstwerte der Regelspanne von 2,3 und 1,8 eine Abrechnung mit den Faktoren 1,8 und 1,6 für gerechtfertigt. Beide Parteien legten gegen dieses Urteil die zugelassene Revision ein.

Der für das ärztliche Gebührenrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wies die Revision des Beklagten zurück und gab der Revision des klagenden Arztes statt. Allgemein bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr für persönlich-ärztliche Leistungen nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ). Für medizinisch-technische Leistungen gilt nach § 5 Abs. 3 GOÄ ein Gebührenrahmen zwischen dem Einfachen und dem Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens hat der Arzt die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Weiter ist in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ bestimmt, dass "in der Regel" eine Gebühr nur "zwischen" dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden darf. Die Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannten Kriterien sich im Einzelfall von üblicherweise vorliegenden Umständen unterscheiden und ihnen nicht bereits in der Leistungsbeschreibung des Gebührenverzeichnisses Rechnung getragen worden ist.

Im Streitfall ging es hauptsächlich um die Frage, ob ärztliche Leistungen, die nach Schwierigkeit und zeitlichem Aufwand als durchschnittlich zu bewerten sind, mit dem jeweiligen Höchstsatz der Regelspanne, also mit dem 2,3- oder dem 1,8fachen, abgerechnet werden dürfen. In der bisherigen Rechtsprechung und Literatur wird weitgehend die Auffassung vertreten, die Regelspanne solle für die große Mehrzahl der Behandlungsfälle gelten und den Durchschnittsfall mit Abweichungen nach oben und unten, also auch schwierigere und zeitaufwändigere Behandlungen, erfassen. Hieraus wird vielfach der Schluss gezogen, eine im Durchschnitt liegende ärztliche Leistung sei mit einem Mittelwert innerhalb der Regelspanne, also mit dem 1,65- oder dem 1,4fachen, zu entgelten oder mit einem etwas darüber liegenden Wert von 1,8 bzw. 1,6. Diese Auffassung hatte unter anderem das Berufungsgericht vertreten. In der Abrechnungspraxis von privaten Krankenversicherungen und Beihilfestellen ist ungeachtet dessen festzustellen, dass ärztliche Leistungen weit überwiegend zu den Höchstsätzen der Regelspanne (2,3 bzw. 1,8 ) abgerechnet werden.

Der III. Zivilsenat hat insoweit entschieden, ein Arzt verletze das ihm vom Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht, wenn er nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche ärztliche Leistungen mit dem Höchstsatz der Regelspanne abrechne. Dem Verordnungsgeber sei die Abrechnungspraxis seit vielen Jahren bekannt und er habe davon abgesehen, den Bereich der Regelspanne für die Abrechnungspraxis deutlicher abzugrenzen und dem Arzt für Liquidationen bis zum Höchstsatz der Regelspanne eine Begründung seiner Einordnung abzuverlangen. Möchte der Arzt für eine Leistung das 2,3fache des Gebührensatzes überschreiten, ist er nach § 12 Abs. 3 GOÄ verpflichtet, dies für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen und auf Verlangen die Begründung näher zu erläutern. Ohne eine nähere Begründungspflicht im Bereich der Regelspanne ist es jedoch nicht praktikabel und vom Verordnungsgeber offenbar nicht gewollt, dass Zahlungspflichtige und Abrechnungsstellen den für eine durchschnittliche Leistung angemessenen Faktor ermitteln oder anderweitig festlegen. Insbesondere hat der Verordnungsgeber einen Mittelwert für durchschnittliche Leistungen innerhalb der Regelspanne, wie ihn Teile der Rechtsprechung und Literatur für richtig halten, nicht vorgesehen. Hiervon bleibt selbstverständlich unberührt, dass der Arzt seine Leistungen nicht schematisch mit dem Höchstsatz der Regelspanne berechnen darf, sondern sich bei einfachen ärztlichen Verrichtungen im unteren Bereich der Regelspanne bewegen muss.

Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 8. November 2007 - III ZR 54/07
Urteil siehe unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf
AG Hamburg - Urteil vom 5. Oktober 2005– 6 C 375/04 ./. LG Hamburg - Urteil vom 7. Februar 2007 – 318 S 145/05

Quelle: Pressemitteilung vom 8. November 2007
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
http://www.bundesgerichtshof.de/

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Novellierungsbedarf der Gebührenordnung

Beitrag von Presse » 09.11.2007, 10:08

Pressemitteilung PKV e.V.:
BGH-Urteil zur Privatliquidation ärztlicher Leistungen bestätigt Novellierungsbedarf der Gebührenordnung

Berlin - Zum heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Abrechnung ärztlicher Leistungen nach dem Regelhöchstsatz nimmt der Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherung Volker Leienbach Stellung:

„Die Richter haben dem klagenden Arzt im konkreten Fall zwar den Regelhöchstsatz in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) – also das 2,3-fache des Gebührensatzes - zugebilligt, zugleich aber wörtlich klargestellt, ‚dass der Arzt seine Leistungen nicht schematisch mit dem Höchstsatz der Regelspanne berechnen darf, sondern sich bei einfachen ärztlichen Verrichtungen im unteren Bereich der Regelspanne bewegen muss’.

Laut GOÄ darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem 1-fachen und dem 2,3-fachen Satz bemessen werden. Ein Überschreiten des Regelhöchstsatzes dieser Spanne und eine Abrechnung bis zum 3,5-fachen des Gebührensatzes (Höchstsatz) muss begründet werden.

Die Rechnungsauswertungen durch den PKV-Verband zeigen, dass die Ärzte von dem in der GOÄ eingeräumten Ermessensspielraum kaum Gebrauch machen: So wurden 2005 über zwei Drittel der ärztlichen Rechnungen im stationären Bereich genau zum Regelhöchstsatz von 2,3 erstellt. Im ambulanten Bereich waren es sogar fast 87 Prozent.

So begrüßenswert die im BGH-Urteil vorgenommene Klarstellung ist, so unbefriedigend bleibt der verbleibende Interpretationsspielraum und damit die anhaltende Rechtsunsicherheit, die nur durch eine längst überfällige Novellierung der GOÄ beseitigt werden kann.

Eine neue GOÄ darf auf keinen Fall dem für die GKV geltenden Abrechnungsverfahren folgen. Für den Bereich der Privatversicherung muss es mit einer novellierten GOÄ ein eigenständiges, leistungsgerechtes Honorarsystem geben. Eine neue GOÄ muss zum einen das aktuelle und sich stetig weiterentwickelnde medizinische Leistungsgeschehen abbilden. Zum anderen muss sie sicherstellen, dass die Gebührenbemessung nach Servicequalität, medizinischer Qualität und Schwierigkeit im jeweils individuellen Fall erfolgt.
Dabei macht sich die PKV für eine Öffnungsklausel stark, die es Ärzten und PKV in fairer Partnerschaft erlaubt, von der GOÄ abweichende Vereinbarungen zu treffen.“

Ansprechpartner:
PKV e.V.
Pressesprecherin
Frau Ulrike Pott
E-Mail: ulrike.pott@pkv.de
Telefon: 030 / 20458927
http://www.pkv.de

Quelle: Pressemitteilung vom 8.11.2007
http://www.gesundheit-adhoc.de/index.ph ... msgNr=2656

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GOÄ: Bundesgerichtshof bestätigt Schwellenwert

Beitrag von Ärztliche Praxis » 10.11.2007, 08:19

Privatpatient wollte Steigerung nicht akzeptieren
GOÄ: Bundesgerichtshof bestätigt Schwellenwert
Gute Nachrichten für Ärzte zur Privatliquidation: Sie dürfen weiterhin den 2,3-fachen oder 1,8-fachen Wert (Schwellenwert) als GOÄ-Regelsatz berechnen, ohne dies näher begründen zu müssen.

09.11.07 - Eine nachvollziehbare und verständliche Begründung sei erst dann erforderlich, wenn der Niedergelassene mehr berechnen wolle, bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die bisherige Abrechnungspraxis bei Privatpatienten. Das Gericht widersprach damit unteren Instanzen, die andere Mittelwerte zur Anwendung kommen lassen wollten.

Eine Einschränkung gab es dennoch: Schematisch dürfen die Regelsätze nicht angewandt werden. Für einfache Leistungen müsse sich der Arzt im unteren Bereich der Regelspanne bewegen, hieß es.

Die Bundesrichter gaben einem Augenarzt recht, der für eine Augenoperation 2.083 Euro berechnet und dabei für seine persönlichen Leistungen wie üblich den 2,3fachen, für die medizinisch-technischen Leistungen den 1,8fachen Satz angesetzt hatte.

Sein Privatpatient wollte die seiner Ansicht nach zu hohe Rechnung nicht zahlen, so dass der Arzt sein Geld einklagen musste (Az.: III ZR 54/0).

di

Fundstelle:
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 602825.htm
Zeitung "Ärztliche Praxis"
http://www.aerztlichepraxis.de

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GOÄ: Gericht billigt gängige Abrechnungspraxis

Beitrag von Service » 19.11.2007, 07:13

ddp
GOÄ: Gericht billigt gängige Abrechnungspraxis
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=57579
Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 46 vom 16.11.2007, Seite A-3136
AKTUELL
» Pressemitteilung: Bundesgerichtshof entscheidet über Abrechnung ärztlicher Leistungen zum 2,3fachen des Gebührensatzes (PDF-Datei 41 KB)
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down. ... DF&id=1939

Karl Büser
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Ärzte kassieren bei Privatenpatienten ab

Beitrag von Karl Büser » 11.12.2007, 19:11

Ärzte kassieren bei Privatenpatienten ab

Die hier vorgestellten Texte zeigen auf, in welcher Form und auch in welcher Höhe Privatpatienten bei den Ärzten zur Kasse gebeten werden. Kein Wunder also, dass sich Ärzte um Privatpatienten mehr bemühen. Die Frage ist aber doch, ob die jeweiligen Beträge, 2,3-Steigerung und mehr (gegenüber dem Einfachsatz - Kassenleistungen liegen zum Teil deutlich darunter), gerechtfertigt sind. Eine Novellierung der GOÄ sollte für Klarheit sorgen.

Karl
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