Oberlandesgericht Hamm:
Hautkrebs zu spät erkannt - 100.000 Euro Schmerzensgeld
Erkennt ein Hautarzt aufgrund als grob zu bewertender Behandlungsfehler die Hautkrebserkrankung einer Patientin nicht rechtzeitig, kann dem Arzt eine bis zum Tod führende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patientin zuzurechnen sein und ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro rechtfertigen. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.10.2015 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Paderborn abgeändert.
Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 27.10.2015 - 26 U 63/15 - http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm ... 51027.html
Leitsätze:
Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein bösartiger Befund differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Die histologische Entnahme einer Probe muss durch einen Arzt durchgeführt und darf nicht dem Patienten selbst überlassen werden.
Bei einem Melanomverdacht ist der Patient deutlich auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung zum Ausschluss des Verdachts hinzuweisen.
Eine fehlerhafte Probeentnahme und der unterlassene Hinweis der Wiedervorstellung können - bei einem Melanomverdacht - als grober Behandlungsfehler zu werten sei. Bei einer Leidenszeit einer 55-jährigen Patientin mit mehreren operativen Eingriffen und letztlich tödlichem Ausgang ist ein Schmerzensgeld von 100.000,- € angemessen.
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Die 1954 geborene Patientin suchte im August 2009 die Gemeinschaftspraxis der beklagten Hautärzte aus Paderborn auf, um die Verfärbung eines Zehnnagels nach einer Stoßverletzung abklären zu lassen. Ein Nagelhämatom in Betracht ziehend veranlasste einer der Beklagten die Patientin, eine Nagelprobe einzureichen, die histologisch untersucht wurde. Nachdem die Untersuchung lediglich einen bakteriell infizierten Nagel ausgewiesen hatte und die Patientin hierüber von einem der Beklagten telefonisch in Kenntnis gesetzt worden war, unterblieb ihre weitere dermatologische Behandlung. Nachdem sich die Verfärbung des Zehnnagels im folgenden Jahr nicht zurückgebildet hatte, suchte die Patientin erneut einen Hautarzt auf. Dieser äußerte den Verdacht einer Krebserkrankung, die sich bei weiteren Untersuchungen bestätigte. Nach dem Befall von Lunge und Lymphknoten mit Metastasen erlag die Patientin im Dezember 2013 den Folgen ihrer Krebserkrankung. In einem noch von der Patientin gegen die Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler begonnenen Prozess verlangt nunmehr ihr Ehemann Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro.
Die Klage war erfolgreich. Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Beklagten nach sachverständiger Begutachtung zur Zahlung des beantragten Schadensersatzes verurteilt. Der die Patientin behandelnde Beklagte habe es versäumt, eine ausreichende histologische Untersuchung zum Ausschluss eines Melanoms sicherzustellen. Auch wenn die Patientin von einem Stoßereignis und damit einer naheliegenden Ursache für ein Hämatom berichtet habe, hätte der Beklagte mittels einer umfassenden Differenzialdiagnostik eine - ohne rechtzeitige Behandlung tödlich verlaufende - Hautkrebserkrankung sicher abklären müssen. Die vom Beklagten veranlasste histologische Untersuchung sei unzureichend gewesen, weil sie nicht durch eine im Bereich des möglichen Melanoms entnommene Nagelprobe vorbereitet worden sei, vielmehr habe es der Beklagte der Patientin überlassen, den Ort der Probe festzulegen und sie dort zu entnehmen. Darüber hinaus sei den Beklagten vorzuwerfen, der Patientin nach der telefonischen Übermittlung des histologischen Befundes nicht hinreichend deutlich gemacht zu haben, dass sie sich zur weiteren Befundung in der Praxis alsbald wiedervorstellen solle.
Das Fehlverhalten der Beklagten sei jedenfalls in der Gesamtheit als grob behandlungsfehlerhaft zu beurteilen und führe zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der zurechenbaren Folgen. Bei ordnungsgemäßer Befundung hätte das bei der Patientin zum Zeitpunkt ihrer Behandlung durch die Beklagten bereits vorhandene Melanom festgestellt werden müssen. Abgesehen von der auch in diesem Fall notwendigen Amputation des Zehengrundgliedes sei den Beklagten der sich weiter verschlechternde Gesundheitszustand der Klägerin und ihr durch die Krebserkrankung bedingter Tod zuzurechnen. Mit dem Sachverständigen gehe der Senat dabei davon aus, dass die Patientin nach der Amputation eine hypothetische Chance auf eine vollständige Heilung gehabt habe. Die den Beklagten zuzurechnenden Umstände rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro.
Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.10.2015 - 26 U 63/15 -
Quelle: Pressemitteilung vom 24.11.2015
Oberlandesgericht Hamm
Christian Nubbemeyer, Pressedezernent
pressestelle@olg-hamm.nrw.de
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/pres ... /index.php
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Ärzte Zeitung, 30.11.2015
Urteil "Darf einem Arzt nicht unterlaufen"
Wegen Verstoßes gegen ärztliche Behandlungsregeln muss ein Dermatologe 100.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
KÖLN. Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein Hautarzt einen bösartigen Befund differentialdiagnostisch ausschließen. Sorgt er nicht für ausreichende histologische Befundung und bestellt den Patienten nicht wieder ein, ist das ein grober Behandlungsfehler.
... (weiter lesen unter) ... http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=900 ... ebs&n=4646
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Am 01.12.2015 bei Facebook gepostet:
Hautkrebs zu spät erkannt - 100.000 Euro Schmerzensgeld. - Urteil des OLG Hamm vom 27.10.2015 - 26 U 63/15 - … > viewtopic.php?f=2&t=21389 - Über Patientenrechte & Haftungsrecht informiert der Vortrag von Werner Schell am 07.12.2015, 17.30 Uhr, in der VHS Neuss (Eintritt kostenlos). > viewtopic.php?f=7&t=21178
Hautkrebs zu spät erkannt - 100.000 Euro Schmerzensgeld
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