Sterben regeln ? - hart aber faire `Sonntagsreden´
Verfasst: 20.11.2008, 09:02
Sterben regeln ? - hart aber faire `Sonntagsreden´
Die gestrige Sendung Hart aber Fair - "Die letzte Freiheit - wie verbindlich darf man das Sterben regeln?" ist ein beredtes Beispiel dafür, dass ein Gesetz zwingender denn je ist. Der Vizepräsident der BÄK, Montgomery, offenbart nach wie vor erhebliche Defizite über die Frage, warum denn ein Gesetz notwendig ist. Er wähnt sich in dem Irrglauben, die Rechtslage sei klar, weil hierzu der BGH sich in zwei zentralen Entscheidungen geäußert habe. Dem ist mitnichten so, da hier der Gesetzgeber zur Entscheidung berufen ist.
Insgesamt hätte es der Sendung gut angestanden, wenn hier Rechtswissenschaftler zumindest den Versuch hätten unternehmen können, ein wenig „Licht“ in das vermeintliche Dunkel der Debatte zu bringen. Angeboten hätten sich hier – um nur einige zu nennen - vielleicht der Strafrechtslehrer Thorsten Verrel oder alternativ dazu der Rechtswissenschaftler Jochen Taupitz – immerhin ist letzterer zugleich auch stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. So trat das ein, was unweigerlich eintreten musste: Laien diskutieren über hochsensible Fragen am Thema vorbei und setzen stattdessen auf die bewegte Debatte über Einzelschicksale und die Frage, ob z.B. ein Leben mit Demenz „lebenswert“ sei.
Der derzeitige Wertediskurs leidet zunehmend darunter, dass der Blick für das Wesentliche eingetrübt wird: das Selbstbestimmungsrecht und die damit korrespondierende Eigenverantwortung. Es gibt keinen Zwang zum Leben und zur Therapie!
Die Vorstellung, künstlich am Leben gehalten zu werden, wenn der Verstand nicht mehr funktioniert, ist mir nahezu unerträglich. Damit verbindet sich auch eine Vorstellung von Würdelosigkeit und ich denke da auch an die engsten Angehörigen, die damit konfrontiert sind und denen ich nicht zur Last fallen möchte. Ich finde es zutiefst unmenschlich, wenn andere meinen, mich in einer hoffnungslosen Situation künstlich am Leben erhalten zu wollen, weil die Medizin heute dazu in der Lage ist und Ärzte meinen, Fürsorge für mich leisten zu müssen. In höchstem Maße finde ich es daher zynisch, mir mein persönliches „Opium“ zu versagen, dass mir auf ewig Linderung verspricht: die Verbindlichkeit meiner Patientenverfügung aufgrund eines Gesetzes. Ich möchte keine Verantwortung für das „Fremde in mir“ tragen, auch wenn aus der Perspektive der Ethiker das Leben mit gravierenden kognitiven Einbußen „lebenswert“ erscheint.
Dürfen wir so denken, fühlen und handeln?
Wenn es nach dem Willen einiger Ethiker geht, wohl nicht. Sie reden von den Patientenverfügungen, als seien diese ein „Opium fürs Volk“. Nehmen wir dies wortwörtlich, so haben die selbsternannten Hobbyphilosophen zumindest in einem Punkten recht: Die Sucht äußert sich in einer Patientenverfügung in der Sehnsucht nach der Selbstbestimmung und damit auch der Freiheit, jenseits moralischer Vorstellungen einer „ethischen Gemeinde“ kraft eigenen Willens über das Sterben entscheiden zu können.
Mit der Debatte – die gelegentlich auch als Kulturkampf um die Würde des Menschen bezeichnet wird – sind Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllt worden: Die Gegner eines Patientenverfügungsgesetzes verschließen sich nach wie vor ganz zentralen Einsichten und schreiten unbeeindruckt von den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten auf ihrem missionarischen Weg fort. Dass dieser Weg nun allerdings in eine Sackgasse führt und letztlich ein gewaltiger Irrweg ist, verdrängen die Sendboten einer konservativen Wertekultur nur allzu gerne und man/frau kann ihnen dies noch nicht einmal verdenken: der Schlüssel für das Voranschreiten auf diesen Irrweg liegt in der kognitiven Dissonanz. Nach der Konfrontation eines empfindlichen Übels, namentlich die Konfrontation mit den Gegenargumenten, die gleichsam die ureigene psychische Stabilität bedrohen, werden sich die Paternalisten unweigerlich wieder an dem orientieren, was eben diesen Weg als Irrweg ausmacht – das konsequente Eintreten für wertkonservative Ideale, in denen nicht selten die Freiheit des Einzelnen geopfert wird. Denn gerade diese Freiheit ist es, die ihm die Regie für seinen eigenen Tod – seinen Vorstellungen von einem gelungenen Abschied aus dem Leben – gewährleisten soll und nicht ein wie auch immer geartetes 12. Gebot nach dem Motto: Du sollst keine andere Ethiker neben mir haben!
Argumente für ein Patientenverfügungsgesetz, gleich welcher Qualität, helfen hier nicht weiter und insofern ist der neue ethische Paternalismus im wahrsten Sinne des Wortes „therapieresistent“. Es scheint, als sei hier nur das Bundesverfassungsgericht in der Lage, den Kulturkampf um die Würde des Menschen und damit Patienten zu entscheiden, um so der Marginalisierung des Selbstbestimmungsrechts ein Ende bereiten zu können.
Die Sendung selbst hat daher eindrucksvoll bestätigt, warum ein Gesetz notwendig ist.
Lutz Barth
Die gestrige Sendung Hart aber Fair - "Die letzte Freiheit - wie verbindlich darf man das Sterben regeln?" ist ein beredtes Beispiel dafür, dass ein Gesetz zwingender denn je ist. Der Vizepräsident der BÄK, Montgomery, offenbart nach wie vor erhebliche Defizite über die Frage, warum denn ein Gesetz notwendig ist. Er wähnt sich in dem Irrglauben, die Rechtslage sei klar, weil hierzu der BGH sich in zwei zentralen Entscheidungen geäußert habe. Dem ist mitnichten so, da hier der Gesetzgeber zur Entscheidung berufen ist.
Insgesamt hätte es der Sendung gut angestanden, wenn hier Rechtswissenschaftler zumindest den Versuch hätten unternehmen können, ein wenig „Licht“ in das vermeintliche Dunkel der Debatte zu bringen. Angeboten hätten sich hier – um nur einige zu nennen - vielleicht der Strafrechtslehrer Thorsten Verrel oder alternativ dazu der Rechtswissenschaftler Jochen Taupitz – immerhin ist letzterer zugleich auch stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. So trat das ein, was unweigerlich eintreten musste: Laien diskutieren über hochsensible Fragen am Thema vorbei und setzen stattdessen auf die bewegte Debatte über Einzelschicksale und die Frage, ob z.B. ein Leben mit Demenz „lebenswert“ sei.
Der derzeitige Wertediskurs leidet zunehmend darunter, dass der Blick für das Wesentliche eingetrübt wird: das Selbstbestimmungsrecht und die damit korrespondierende Eigenverantwortung. Es gibt keinen Zwang zum Leben und zur Therapie!
Die Vorstellung, künstlich am Leben gehalten zu werden, wenn der Verstand nicht mehr funktioniert, ist mir nahezu unerträglich. Damit verbindet sich auch eine Vorstellung von Würdelosigkeit und ich denke da auch an die engsten Angehörigen, die damit konfrontiert sind und denen ich nicht zur Last fallen möchte. Ich finde es zutiefst unmenschlich, wenn andere meinen, mich in einer hoffnungslosen Situation künstlich am Leben erhalten zu wollen, weil die Medizin heute dazu in der Lage ist und Ärzte meinen, Fürsorge für mich leisten zu müssen. In höchstem Maße finde ich es daher zynisch, mir mein persönliches „Opium“ zu versagen, dass mir auf ewig Linderung verspricht: die Verbindlichkeit meiner Patientenverfügung aufgrund eines Gesetzes. Ich möchte keine Verantwortung für das „Fremde in mir“ tragen, auch wenn aus der Perspektive der Ethiker das Leben mit gravierenden kognitiven Einbußen „lebenswert“ erscheint.
Dürfen wir so denken, fühlen und handeln?
Wenn es nach dem Willen einiger Ethiker geht, wohl nicht. Sie reden von den Patientenverfügungen, als seien diese ein „Opium fürs Volk“. Nehmen wir dies wortwörtlich, so haben die selbsternannten Hobbyphilosophen zumindest in einem Punkten recht: Die Sucht äußert sich in einer Patientenverfügung in der Sehnsucht nach der Selbstbestimmung und damit auch der Freiheit, jenseits moralischer Vorstellungen einer „ethischen Gemeinde“ kraft eigenen Willens über das Sterben entscheiden zu können.
Mit der Debatte – die gelegentlich auch als Kulturkampf um die Würde des Menschen bezeichnet wird – sind Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllt worden: Die Gegner eines Patientenverfügungsgesetzes verschließen sich nach wie vor ganz zentralen Einsichten und schreiten unbeeindruckt von den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten auf ihrem missionarischen Weg fort. Dass dieser Weg nun allerdings in eine Sackgasse führt und letztlich ein gewaltiger Irrweg ist, verdrängen die Sendboten einer konservativen Wertekultur nur allzu gerne und man/frau kann ihnen dies noch nicht einmal verdenken: der Schlüssel für das Voranschreiten auf diesen Irrweg liegt in der kognitiven Dissonanz. Nach der Konfrontation eines empfindlichen Übels, namentlich die Konfrontation mit den Gegenargumenten, die gleichsam die ureigene psychische Stabilität bedrohen, werden sich die Paternalisten unweigerlich wieder an dem orientieren, was eben diesen Weg als Irrweg ausmacht – das konsequente Eintreten für wertkonservative Ideale, in denen nicht selten die Freiheit des Einzelnen geopfert wird. Denn gerade diese Freiheit ist es, die ihm die Regie für seinen eigenen Tod – seinen Vorstellungen von einem gelungenen Abschied aus dem Leben – gewährleisten soll und nicht ein wie auch immer geartetes 12. Gebot nach dem Motto: Du sollst keine andere Ethiker neben mir haben!
Argumente für ein Patientenverfügungsgesetz, gleich welcher Qualität, helfen hier nicht weiter und insofern ist der neue ethische Paternalismus im wahrsten Sinne des Wortes „therapieresistent“. Es scheint, als sei hier nur das Bundesverfassungsgericht in der Lage, den Kulturkampf um die Würde des Menschen und damit Patienten zu entscheiden, um so der Marginalisierung des Selbstbestimmungsrechts ein Ende bereiten zu können.
Die Sendung selbst hat daher eindrucksvoll bestätigt, warum ein Gesetz notwendig ist.
Lutz Barth