Wer elektronisch dokumentiert, hat im Haftungsprozess das Nachsehen
Vorsicht EDV-Falle!
von Diana Niedernhöfer
Schnell und praktisch ist es, seine Patientenakten per EDV zu verwalten. Doch vielen Ärzten ist nicht bewusst: Im Haftungsprozess zählen Aktenunterlagen, die ohne fälschungssichere Software verfasst wurden, nicht als Beweis.
26.05.04 - Diese bittere Erfahrung musste ein niedergelassener Orthopäde machen. Er hatte einen Jungen wegen Beschwerden am Bein umfassend untersucht und dokumentierte jeden Untersuchungsschritt aufs Genaueste in seinem PC. Diagnose: Knieschaden. Erst als die Beschwerden im Laufe der Zeit nicht nachließen, fand ein anderer Arzt heraus, dass es sich bei den Beschwerden um ein dauerhaftes Hüftleiden handelte.
Die Eltern verklagten daraufhin den Orthopäden: Es hätten gute Heilungschancen bestanden, hätte denn der Arzt gleich richtig diagnostiziert, argumentierten sie. Durch die Verzögerungen sei wertvolle Zeit verstrichen.
Der Niedergelassene musste vor Gericht beweisen, dass er keinen Fehler begangen, sondern das Kind umfassend untersucht hatte. Als Beweis legte er seine elektronischen Krankenakten vor. Die Eltern hielten dagegen, die Eintragungen seien gefälscht. „Jetzt musste der Orthopäde beweisen, dass er die Unterlagen nicht gefälscht hat“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Alexandra Jorzig, die den Arzt vertreten hat.
Doch das konnte der Orthopäde aus Sicht der Richter nicht! Aus der EDV-Krankenakte kann man nämlich beim Verwenden gängiger, meist nicht gegen Fälschungen gefeiter Software nicht nachvollziehen, wann jemand zuletzt Zugriff auf die Daten hatte und was er dort eventuell verändert hat. Es ist demnach auch nicht beweisbar, dass die Daten regulär erfasst worden sind.
Gericht: „Notwendige Untersuchungen sind nicht bewiesen“
EDV-Krankenakten werden im Gegensatz zu handschriftlichen Akten daher nicht als Urkundenbeweis anerkannt. Damit sei das zentrale Beweismittel des Arzthaftungsprozesses ausgehöhlt gewesen, bedauert die Anwältin.
Deutlich zeigt der vorliegende Fall: Obwohl der Arzt Stein und Bein schwor, die EDV-Einträge nicht gefälscht zu haben, halfen alle seine Einwendungen nichts. „Die Richter erkannten die Krankenakte nicht als Beweis für die Untersuchungen an“, erklärt Jorzig, Partnerin in der Rechtsanwalts-Kanzlei Dr. Rehborn. Da der Niedergelassene auch keine Zeugen benennen konnte, ging das Gericht mangels Beweisen davon aus, dass die Untersuchungen nicht stattgefunden hatten. Erst durch einen Vergleich ließ sich der Rechtsstreit beilegen.
ÄP-TIPP
Fälschungssicher oder auf CD-ROM gespeichert
Die auf Arzthaftungsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Dr. Alexandra Jorzig empfiehlt:
• Ärzte sollten beim Kauf ihrer Praxissoftware unbedingt darauf achten, dass sie fälschungssicher ist.
• Wer ohne fälschungssichere Software arbeitet, sollte die Krankenakten regelmäßig gesondert abspeichern. „Regelmäßig“ heißt in diesem Fall mindestens alle drei Monate; „gesondert“ meint, die Akten auf CD-ROM zu speichern, zu datieren und sorgfältig aufzubewahren.
„Derart erstellte Disketten werden vor Gericht dann als Beweis akzeptiert“, erklärt Jorzig. Denn hier lassen sich Herstellungsdatum und Veränderungen nachvollziehen.
Quelle: Zeitung "Ärztliche Praxis" (Der Beitrag wird mit Genehmigung der Redaktion vorgestellt)
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