Patienten ,in Geiselhaft genommen'?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Patienten ,in Geiselhaft genommen'?

Beitrag von Ärztliche Praxis » 21.03.2007, 18:09

Zwei Ärzte verklagen Ministerin Schmidt und Karl Lauterbach
Patienten ,in Geiselhaft genommen'?
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe verhandelt am Freitag (23.3.)in Freiburg über den Antrag zweier Fachärzte, die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sowie dem SPD- Gesundheitsexperten Karl Lauterbach Äußerungen zu Ärzteprotesten verbieten wollen.

20.03.07 - Nach Angaben des Gerichts ist es der erste Prozess in Deutschland zur Auseinandersetzung um die Gesundheitsreform. Das Gesetz zur Reform soll am 1. April in Kraft treten. Ministerin Schmidt und Lauterbach hatten laut Gericht in Fernseh- und Radiointerviews sinngemäß gesagt, durch die bundesweiten Ärztestreiks im vergangenen Dezember seien Patienten und kranke Menschen von den Medizinern "in Geiselhaft" genommen worden. Da Arztpraxen und Apotheken in ganz Deutschland geschlossen blieben, seien die Patienten die Leidtragenden gewesen. Den Ärzten sei es lediglich um ihre Forderung nach mehr Geld gegangen.

Die beiden niedergelassenen Mediziner haben den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Würde diese erlassen, dürften Schmidt und Lauterbach nicht mehr behaupten, Ärzte nähmen Patienten mit Protesten gegen die Gesundheitsreform "in Geiselhaft". Vor dem Landgericht Freiburg waren die beiden Mediziner mit ihrem Antrag Ende Dezember gescheitert. Gegen dieses Urteil haben sie vor dem OLG Berufung eingelegt. Schmidt, Lauterbach sowie die beiden Mediziner müssen zu der mündlichen Verhandlung nicht erscheinen.

dpa
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"Patienten in Geiselhaft"

Beitrag von Presse » 18.04.2007, 06:58

"Patienten in Geiselhaft"

Datum: 13.04.2007

Kurzbeschreibung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu Äußerungen der Bundesministerin für Gesundheit Ulla Schmidt

Die Antragsteller sind niedergelassene Fachärzte. Beide haben sich am 4. Dezember 2006 am bundesweiten Protesttag gegen die geplante Gesundheitsreform beteiligt, an dem viele Arztpraxen und Apotheken geschlossen blieben.
Am 4. Dezember 2006 äußerte sich die Beklagte Ziff. 1, die Bundesministerin für Gesundheit, in einem Radiointerview des Deutschlandfunks angesprochen auf die Ärzteproteste von diesem Tag wie folgt: „...Mich ärgert vielleicht, wenn Patienten oder kranke Menschen in Geiselhaft genommen werden für Forderungen nach mehr Geld...“. Anlässlich eines öffentlichen Vortrages am 13. Dezember 2006 gebrauchte sie in Bezug auf die Protestaktion ebenfalls das Wort „Geiselhaft“. Der Kläger Ziff. 2, der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Lauterbach, soll sich am 4. Dezember 2006 gegenüber dem privaten Fernsehsender NTV geäußert haben wie folgt: „Das ist schon eine Geiselhaft der Patienten. Es gibt keine Berufsgruppe, die so brutal die Menschen ausnutzt, wenn es um das eigene Einkommen geht wie die Ärzteschaft“.
Die Antragsteller haben beim Landgericht Freiburg Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, wonach es die Antragsgegner zu unterlassen haben, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen oder zu verbreiten, dass Ärzte durch ihre Proteste gegen die geplante Gesundheitsreform Patienten in Geiselhaft genommen haben oder nehmen werden.
Das Landgericht Freiburg hat den Antrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2006 zurückgewiesen.
Die Berufung eines der klagenden Ärzte zum Oberlandesgericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - blieb ohne Erfolg.
Der von einer zu erwartenden ehrverletzenden Presseäußerung - dazu gehören auch Äußerungen in den elektronischen Medien - Betroffene hat einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch, wenn der mit der Äußerung verbundene Angriff auf sein Persönlichkeitsrecht nicht durch die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit gerechtfertigt ist.
Hier scheitert der geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon daran, dass der Kläger durch die inkriminierte Äußerung nicht als Individuum betroffen ist. Nach den gesamten Umständen steht außer Zweifel, dass die Beklagte Ziff. 1 den Teil der Ärzte als „Geiselnehmer“ qualifizieren wollte, die am 4. Dezember 2006 ihre Praxen geschlossen hielten und am bundesweiten Protesttag gegen die Gesundheitsreform teilnahmen. Die Angriffsrichtung der vom Kläger beanstandeten Sentenzen der Beklagten ging gegen die Gesamtheit der am Protesttag „streikenden“ Ärzte.
Dass durch die Bezeichnung eines Kollektivs auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einzelner, diesem Kollektiv angehöriger Personen verletzt werden kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt. Herabsetzende Äußerungen schlagen jedoch dann nicht auf die persönliche Ehre jedes einzelnen Mitgliedes des angegriffenen Kollektivs durch, wenn es sich dabei um eine unüberschaubar große Gruppe handelt. Von einer Persönlichkeitsverletzung des einzelnen kann nur dann die Rede sein, wenn er auch tatsächlich das Angriffsziel einer ehrverletzenden Äußerung ist. Je größer der Kreis des herabgesetzten Kollektivs ist, desto mehr „verliert sich die Beleidigung in der Unbestimmtheit“ und desto mehr geht die „Individuumsbezogenheit“ verloren.
Das von den beanstandeten Äußerungen angesprochene Kollektiv umfasste mehr als 40.000 Ärzte, die am 4. Dezember 2006 ihre Praxen geschlossen hielten. Damit war der Personenkreis derart groß und unübersehbar, dass der Einzelne von dem auf die Gesamtheit gemünzten Angriff nicht in seinen Persönlichkeitsrechten betroffen war. Nachdem der Kläger Unterlassung schon deshalb nicht verlangen kann, weil er durch die Äußerung nicht betroffen ist, kann dahingestellt bleiben, ob die beanstandeten Äußerungen bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht des Klägers und Meinungsfreiheit der Beklagten zu unterlassen gewesen wären.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2007 - 14 U 11/07 -

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsuhre
http://www.olgkarlsruhe.de/servlet/PB/m ... OT=1180141

Rauel Kombüchen
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Kritik an der Ärzteschaft berechtigt

Beitrag von Rauel Kombüchen » 18.04.2007, 07:57

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist zu begrüßen. Was die Ärzteschaft bezüglich der Durchsetzung von Honoarforderungen "veranstaltet" haben, war nicht akzeptabel und musste hart kritisiert werden!

R.K.

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