Organisationsverantwortung

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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maya
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Organisationsverantwortung

Beitrag von maya » 29.05.2004, 20:41

Folgende Situation:
Ein kleineres Krankenhaus der Akutversorgung beschäftigt auf den "Normalstationen" unausgebildete Pflegepersonen, seit langer Zeit (z.T. bis zu 20 Jahren). Diese eigentlichen Pflegehilfskräfte übernehmen teilweise oder auch ganz die Tätigkeiten von examinierten Pflegekräften - eben seit langer Zeit. Die
Überlegungen der Stationsleitung und der Pflegedienstleitung (vor kurzem fand ein Managementwechsel statt) sind jetzt, wie man rechtlich verfahren kann und man entwickelte genau für diese Mitarbeiter nun Stellenbeschreibungen, welche sie befugen sollen, ihre bisherigen Tätigkeiten weiter duchführen zu können (sozusagen offiziell).
Der Grund dafür eben wäre 1. weil diese Mitarbeiter schon immer schon so gearbeitet haben, 2. um Kosten zu sparen (man müsste ja die Hilfskräfte gegen examiniertes Personal austauschen, was zum Teil die Stationen mit bis zu 4 Vollzeitkräften träfe).

Meine Fragen:
Wie sieht die Situation rechtlich aus? Kann man mit Stellenbeschreibungen irgendetwas bewirken oder sichern? Sind Stellenbeschreibungen in diesem Fall nicht eher fatal, weil man dieser desolaten Situation noch die offizielle Krone aufsetzt?
Im Falle eines Rechtstreites: Wer trägt die Durchführungs- und Organisationsverantwortung?
Was macht man mit solchen langjährigen Mitarbeitern mit entsprechender Tätigkeit?

Genug der Worte, ich wäre für einen Rat oder zumindest den Hinweis der Vorgehensweise sehr dankbar.

Liebe Grüße
maya

Berti
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Organisationsverantwortung

Beitrag von Berti » 01.06.2004, 11:09

Hallo mava,
in der Pflege gibt es keinen Tätigkeitsschutz, so dass eigentlich jeder Pflegeverrichtungen vornehmen darf, der die hierzu erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Wie er sie erworben hat, in der gesetzlich ausgestalteten Ausbildung oder durch Anleitungen und Üben, ist letztlich zweitrangig. Jede Pflegeverrichtung muss mit der erforderlichen Sorgfalt erledigt werden. Massstab für das Tätigwerden ist daher eigentlich vorrangig die Sorgfaltspflicht. Hierzu gibt es in diesem Forum bereits zahlreiche Beiträge; siehe unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=0#0
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=4#4
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2
Anhand dieser Rechtssituation können also auch Pflegehilfskräfte mit solchen Tätigkeiten befasst werden, sie sie theoretisch und praktisch beherrschen. Die entsprechenden Tätigkeitsmerkmale können folgerichtig auch schriftlich fixiert werden. Ob sich daraus dann irgendwelche Weiterungen ergeben, z.B.Vergütungsansprüche, ist eine tarifrechtliche Frage.
Jede Führungskraft, die Personal anstellt und verantwortlich zu beaufsichtigen hat, muss dafür einstehen, dass die Auswahl, Anstellung und Beaufsichtigung mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllt worden ist: Je geringer die Qualifikation, umso höhere Anforderungen sind an die Aufsicht und Kontrolle zu stellen.
Verantwortlich ist grundsätzlich immer derjenige, der handelt. Allerdings kann dieses Handeln auch in Nachlässigkeiten im Bereich der Organisation liegen (= Organisationsverschulden). So gesehen kann eine „Gemengelage“ (= gesamtschuldnerische) Haftung) bei irgendwelchen Pflegefehlern entstehen. Wer aber, wie sich oft erst nachher herausstellt, völlig ungeeignetes Personal tätig werden lässt, muss sich ggf. einen groben Fehler anlasten lassen und steht dann mit diesbezüglichen Vorwürfen „allein im Regen“.
Für Aufgabenübertragungen können die Delegationsgrundsätze
siehe hierzu unter http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... gation.htm
entsprechend angewandt werden.
Siehe auch die umfänglichen Ausführungen zu dieser Thematik in Schell, W. „Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht“. Kunz Verlag.
Näheres dazu unter
http://www.wernerschell.de/html/page11.htm
Soweit noch Fragen bleiben, bitte nochmals melden!
Gruß Berti

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