Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
18.06.2016
An die
SPD im Rhein Kreis Neuss / Stadt Neuss
Nachrichtlich an die Redaktion der NGZ:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Neuss-Grevenbroicher Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 18.06.2016 zur Pflegesituation und titelt "Pflegeberufe sollen attraktiver werden". >
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/neu ... -1.6057217 Dem kann uneingeschränkt zugestimmt werden. Die dem Bericht zugrunde liegenden Statements bedürfen aber einer Kommentierung. Denn manches stellt sich doch ein wenig anders dar:
Die demografische Entwicklung, seit Jahrzehnten bekannt, stellt große Anforderungen an die verschiedenen Sozialsysteme. Es muss mit Bedacht reformiert werden, damit die sozialen Leistungen auch in Zukunft finanzierbar bleiben. Insoweit gibt es zahlreiche Kritikpunkte - die GroKo hat, weil jede Partei ihre Wünsche durchsetzen will, eine gewisse Geschenkementalität entwickelt. Das wurde von hier bereits deutlich kritisiert, weil die nachrückenden Generationen über Gebühr belastet werden.
Bezüglich der Pflege hat es von hier in den letzten Jahren wiederholt konkrete Reformvorschläge gegeben, insbesondere auch mit Blick auf die Pflegeberufe. Beim Neusser Pflegetreff am 13.05.2014 wurde Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister, ein umfängliches Statement übergeben, in dem der Pflegenotstand und die vorrangigen Handlungsanforderungen beschrieben wurden >
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... se2014.pdf Diesen Vorschlägen ist, trotz vertiefender Gespräche im BMG, aber nicht Rechnung getragen worden. Stattdessen gibt es zusätzliche Betreuungskräfte für die Pflegeeinrichtungen, die die anstehenden Probleme nicht auflösen können.
Es war und ist zwingend erforderlich, bundeseinheitliche Personalbemessungssysteme zu gestalten, und zwar schnellstens. Der § 113c SGB XI kommt mit seinen Ergebnissen zu spät. Die Ländergremien zieren sich seit Jahren, ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Daher wurde von hier mit mehreren Briefen an die Sozial- und Gesundheitsministerien geschrieben und entsprechende Folgerungen eingefordert >
viewtopic.php?f=4&t=21511 Leider ist das Gerangel um mehr Pflegekräfte, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dringend benötigt werden, zu einem "schwarze-Peter-Spiel" verkommen.
Wer meint, die Lösung könne in einem neuen Pflegeberufegesetz gefunden werden, unterliegt einem gewaltigen Irrtum. In über 40 Jahren nebenamtlicher Lehrtätigkeit an zahlreichen Kranken-, Kinder- und Altenpflegeschulen einschließlich Lehrtätigkeit an der Kath. Fachhochschule Köln habe ich so manche Berufereform erlebt. Nichts hat sich wirklich geändert. Änderungen gibt es nur mit verbesserten Stellenschlüsseln und angehobenen Vergütungen. Alle anderen Erwartungen werden ins Leere laufen.
Die zurückliegende Pflegereform (Pflegestärkungsgesetze I und II) weist zahlreiche Mängel auf. Die Erwartungen bezüglich der neuen Pflegegrade werden von neuen Problemen begleitet werden. Daher wird es am 26.10.2016 einen weiteren Pflegetreff geben, der sich genau diesem Thema zuwendet >
viewtopic.php?f=7&t=21512 Im Übrigen hat K.J. Laumann in einem Pflegetreff am 14.04.2015 erklärt, dass die neuen Pflegegrade ohne deutlich mehr Personal nicht umzusetzen sein werden. Und dieses Personal gibt es eben nur mit verbesserten Stellenschlüssel und attraktiven Vergütungen.
Das Pflegestärkungsgesetz III (Entwurf) setzt übrigens auf mehr Pflegeberatung durch die Kommunen. Völlig unnötig! Stattdessen brauchen wir kommunale Quartierskonzepte mit einer ordentlichen Finanzbasis, sozusagen als Ergänzung zum Pflegeversicherungssystem. Von hier ebenfalls wiederholt vorgeschlagen. Siehe aktuell unter (u.a. Brief an das BMG vom 18.05.2016) >
viewtopic.php?f=4&t=21444&
Dies sind nur einige kurze Anmerkungen zum Zeitungsbericht. Gerne bin ich bereit, die hiesigen Kritikpunkte näher zu erläutern.
Werner Schell - Dozent für Pflegerecht