Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) informiert:
Pflege ganz ohne Zwang und Gewalt
Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen NRW (ÜAG NRW) entwickelt auf Essener Fachtagung Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
Essen (lwl). Gewalt und Zwang in der Pflege - lange herrschte Schweigen über das bedrängende Thema. Was tun, wenn zum Beispiel eine demenzkranke Frau im Seniorenheim Nacht für Nacht ruhelos umherwandert und andere Bewohner in ihrem Schlaf stört? Bisher haben Fachkräfte des Seniorenheimes zur bisher einzigen Lösung gefunden und die alte Dame in ihrem Zimmer abends eingesperrt. Aber gibt es Alternativen zu solchen freiheitsentziehenden Zwangsmaßnamen in der Pflege?
Die Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen NRW (ÜAG NRW), deren Geschäftsstelle beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) angesiedelt ist, hat am 7. November 2018 in Essen auf einer multiprofessionell ausgerichteten Fachtagung von und mit ins-gesamt 200 Praktikern aus der Pflege, der Sozialwissenschaft, mit Ärzten, Juristen und Pflegewissenschaftlern versucht, Antworten zu finden und Lösungsmöglichkeiten zu dieser Frage zu erarbeiten.
In seinem Grußwort unterstrich Peter Biesenbach, Justizminister des Landes NRW, die Bedeutung des Themas "Gewalt und Zwang in der Pflege". Zwar sei in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang der freiheitsentziehenden Maßnahmen zu verzeichnen, dennoch bleibe es weiter eine große Herausforderung, die Würde des Menschen im Pflegealltag zu achten und Fixierungen zu vermeiden, so Biesenbach.
Die Tagung bot den Teilnehmern einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Perspektiven des Themas. Neben juristischen Grundlagen wurden auch medizinische und ethische Aspekte in den Blick genommen und diskutiert. Dr. Volker Wippermann, Chefarzt der Abteilung Gerontoneuropsychiatrie der LWL-Klinik Hemer, hat beispielsweise über die Wirkung sowie die Risiken von Medikamenten insbesondere bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Patienten referiert.
Die zahlreichen Teilnehmer aus den Pflegeberufen konnten besonders von dem Vortrag des Krankenpflegers und Pflegewissenschaftlers Jörg Burbaum profitieren. Hier wurde deutlich, wie sich viele Fragen und Unsicherheiten im Pflegealltag ergeben, wenn über die Fixierung eines Menschen entschieden werden muss. Nicht selten sind Pflegepersonen in Heimen oder im ambulanten Bereich mit diesen Entscheidungen überfordert. Die Fachtagung gab Anregungen, um die Sorgen der Beteiligten ernst zu nehmen und wirkungsvolle Maßnahmen zum Erhalt der Freiheit aufzuzeigen.
Auffälliges Verhalten von Patienten genauer zu hinterfragen und sich mit der Biographie des Betroffenen zu befassen - das könnte eine humane Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Fixierung oder Medikation sein, so der Ansatz auf der Tagung.
In dem Fall der demenzkranken Dame hat zum Beispiel ein Gespräch mit den Angehörigen er-geben, dass die Frau früher beruflich als Nachtschwester in einem Krankenhaus tätig gewesen war. Das konnte die Erklärung für ihr nächtliches Herumwandern sein. Die Lösung: Die Dame wird von einer Nachtschwester des Seniorenheimes auf ihrem nunmehr festen nächtlichen Rundgang begleitet und kann anschließend problemlos einschlafen - ganz ohne Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen.
Hintergrund:
Mit Einführung des Betreuungsrechtes im Jahr 1992 wurde auf Grundlage des Landesbetreuungsgesetzes NRW (LBtG NW) das Landesbetreuungsamt (LBA) beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) angesiedelt. Seitdem werden hier im Auftrag des Landes NRW folgende Auf-gaben in bzw. für Westfalen-Lippe wahrgenommen: Anerkennung von Betreuungsvereinen, jährliche Überprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen, Förderung von anerkannten Betreuungsvereinen und seit 2013 auch die Geschäftsstellentätigkeit der Überörtlichen Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen in Nordrhein-Westfalen (ÜAG NRW).
Die Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen in Nordrhein-Westfalen (ÜAG) wurde 2012 in Düsseldorf gegründet. Seit dem 2016 ist sie in § 4 Abs. 2 Landesbetreuungsgesetz NRW gesetzlich verankert. Das interdisziplinär besetzte Gremium verfolgt mit den beteiligten Verbänden, Organisationen, Behörden und Gerichten das Ziel, das Betreuungswesen auf Landesebene weiterzuentwickeln und seine Qualität zu verbessern. Die Überörtliche Arbeitsgemeinschaft orientiert sich an den durch die UN-Behindertenrechtskonvention gestellten Anforderungen. Den Intentionen des Betreuungsrechts folgend, ist die Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung in NRW ein weiteres Ziel ihrer Aktivitäten.
Nähere Informationen zur ÜAG NRW finden sich unter:
http://www.ueag-nrw.org (dort wird in Kürze auch eine Tagungsdokumentation veröffentlicht).
Quelle: Pressemitteilung vom 09.11.2018
Pressekontakt:
Thorsten Fechtner, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 17.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 116 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.