Bundessozialgericht - Medieninformation Nr. 24/15 vom 30.09.2015
Keine Beitragsentlastung für Eltern in der Sozialversicherung wegen
ihres Aufwandes für Kinderbetreuung und Kindererziehung
Das Bundessozialgericht hat heute in einem Musterverfahren entschieden, dass Eltern nicht beanspruchen können, wegen des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern weniger Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung zahlen zu müssen. Geklagt hatte ein Ehepaar mit drei Kindern. Die Kläger forderten, Beiträge nur in der Höhe der Hälfte der jetzigen "Bemessung" (bzw unter Abzug von 833 Euro je Kind und Monat oder eines Betrages in Höhe des steuerlichen Existenzminimums) zahlen zu müssen. Damit sind die Kläger in allen Instanzen erfolglos geblieben.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat in seinem heute verkündeten Urteil ausgeführt, dass die der Beitragsbemessung zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen rechtmäßig angewandt wurden und nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht schied damit aus.
Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten sozialpolitischen Spielraum. Er bewegt sich innerhalb der Grenzen dieses Gestaltungsspielraums, wenn er den Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern in verschiedenen Regelungen des Leistungsrechts berücksichtigt. Zu nennen sind insoweit in erster Linie die Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und die beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Schwelle der Verfassungswidrigkeit wegen eines nur unzureichenden Ausgleichs ist dabei nicht überschritten worden. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94, in dessen Folge in der sozialen Pflegeversicherung ein Beitragszuschlag für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten eingeführt wurde, folgt nichts anderes. Es lässt sich weder daraus noch aus anderen verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf einen allgemeinen umfassenden Ausgleich der finanziellen Belastungen durch die Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der Sozialversicherung herleiten. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs würde zudem ‑ vor allem wegen des Effekts der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen ‑ die Gefahr neuer Verwerfungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. Es ist Sache des Gesetzgebers, ggf einen weitergehenden Ausgleich herbeizuführen. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat insoweit an seiner schon früher ergangenen Rechtsprechung festgehalten (zB Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R).
Az.: B 12 KR 15/12 R 1. K. E., 2. M. E. ./. DAK Gesundheit
beigeladen: 1. DAK-Gesundheit-Pflegekasse
2. Deutsche Rentenversicherung Bund, 3. Erzbistum Freiburg
Hinweise zur Rechtslage:
Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung
§ 55 Abs 3 - Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze
Der Beitragssatz nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erhöht sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). …(seit 1.1.2005 geltende Fassung vom 15.12.2004, BGBl I 3448)
Artikel 3 Abs 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel 6 Abs 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Artikel 100 Abs 1 S 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, … wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Quelle und weitere Informationen:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... s=0&anz=24
+++
Die Medien berichten u.a. wie folgt:
Ärzte Zeitung vom .01.10.2015:
Geringere Beiträge für Familien: Sozialrichter weisen Klage ab
Es liegt kein Verstoß gegen die Verfassung vor, dass Eltern weitestgehend gleich hohe Sozialbeiträge zahlen wie Kinderlose, urteilt das Bundessozialgericht. Die klagende Freiburger Familie will nun das Bundesverfassungsgericht anrufen.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=895 ... aft&n=4518
Kommentar zu Beiträgen in der Sozialversicherung: Von Kassel nach Karlsruhe
Es geht um richtig viel Geld. Man stelle sich vor, 14 Millionen Eltern mit minderjährigen Kindern müssten - anders als Kinderlose - nur noch die Hälfte ihrer bisherigen Beiträge in die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen. Ein Milliardenloch täte sich auf. mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=895 ... sen&n=4518
Süddeutsche:
Kinder bringen keinen Beitrags-Bonus
Kinder bringen nach einem Urteil des Bundessozialgerichts keinen Bonus bei den Beitragszahlungen für die Sozialversicherungen.
Geklagt hatte eine Familie aus Freiburg, die argumentiert, dass das Aufziehen von Kindern an sich schon ein Beitrag für die Sozialsysteme sein.
Bringen Eltern sowieso schon mehr ein?
... > http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/b ... -1.2671625
Tagesschau:
Urteil des Bundessozialgerichts
Der lange Streit um den Elternbonus
Müssen Eltern bei der Beitragspflicht für Renten und Krankenversicherung entlastet werden, weil sie durch die Kindererziehung auch einen entscheidenden Beitrag leisten? Nein, hat das Bundessozialgericht entschieden.
... > https://www.tagesschau.de/inland/bundes ... n-101.html
Focus:
Bundessozialgericht lehnt Forderung ab
Urteil: Keine geringeren Sozialbeiträge für Familien
... > http://www.focus.de/finanzen/recht/arbe ... 81231.html
Rheinische Post:
Erziehungsaufwand
Bundessozialgericht entscheidet gegen Elternansprüche
...> http://www.rp-online.de/politik/deutsch ... -1.5435599
+++ Anmerkung der Moderation +++
Der Streit ist mit dem Urteil des BSG nicht entschieden. Denn es wird offensichtlich vor dem Bundesverfassungsgericht weiter gestritten. - Und das ist auch gut so!
Sozialversicherung - Keine weitere Elternentlastung
Moderator: WernerSchell
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Unterschiedliche Pflegebeiträge rechtens
Unterschiedliche Pflegebeiträge rechtens
Gesundheit/Antwort
Berlin: (hib/PK) Die unterschiedlichen Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose und Versicherte mit Kindern sind nach Ansicht der Bundesregierung rechtens. Mit dem Kinderberücksichtigungsgesetz von 2004 habe der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2001 umgesetzt, heißt es in der Antwort (19/1478 > http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/014/1901478.pdf ) der Regierung auf eine Kleine Anfrage (19/1197 > http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/011/1901197.pdf ) der AfD-Fraktion.
Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber bei der Reform einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt. Ziel der Neuregelung sei es gewesen, die Vorgaben des Gerichts mit wenig Aufwand für die Versicherten und Pflegekassen umzusetzen.
Kinderlose Versicherte, die das 23. Lebensjahr vollendet hätten, zahlten seit 2005 einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten. Kinderlose Versicherte, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, seien von dem Zuschlag ausgenommen.
Eine Motivforschung, weshalb jemand keine Kinder habe, finde nicht statt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung habe sich der Gesetzgeber für eine feste Altersgrenze von 23 Jahren entschieden, die sich an der beitragsfreien Familienversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung orientiere.
Vom Bundesverfassungsgericht überprüft werde derzeit die Regelung, wonach Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie Versicherte mit nur einem Kind.
Quelle: Mitteilung vom 06.04.2018
Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
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Gesundheit/Antwort
Berlin: (hib/PK) Die unterschiedlichen Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose und Versicherte mit Kindern sind nach Ansicht der Bundesregierung rechtens. Mit dem Kinderberücksichtigungsgesetz von 2004 habe der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2001 umgesetzt, heißt es in der Antwort (19/1478 > http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/014/1901478.pdf ) der Regierung auf eine Kleine Anfrage (19/1197 > http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/011/1901197.pdf ) der AfD-Fraktion.
Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber bei der Reform einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt. Ziel der Neuregelung sei es gewesen, die Vorgaben des Gerichts mit wenig Aufwand für die Versicherten und Pflegekassen umzusetzen.
Kinderlose Versicherte, die das 23. Lebensjahr vollendet hätten, zahlten seit 2005 einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten. Kinderlose Versicherte, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, seien von dem Zuschlag ausgenommen.
Eine Motivforschung, weshalb jemand keine Kinder habe, finde nicht statt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung habe sich der Gesetzgeber für eine feste Altersgrenze von 23 Jahren entschieden, die sich an der beitragsfreien Familienversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung orientiere.
Vom Bundesverfassungsgericht überprüft werde derzeit die Regelung, wonach Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie Versicherte mit nur einem Kind.
Quelle: Mitteilung vom 06.04.2018
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