Widerspruch gegen Bescheid der Pflegekasse - Fristen

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Moderator: WernerSchell

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ThomasH
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Widerspruch gegen Bescheid der Pflegekasse - Fristen

Beitrag von ThomasH » 14.04.2009, 15:54

Frist zur Widerspruchsbegründung?

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem konkreten Fall, mit fristgerecht eingelegtem Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse (hier AOK), wurde von der Pflegekasse eine erneute Frist zur Einreichung der Widerspruchsbegründung genannt.

Meine Frage: Ist diese erneute Fristseztung verwaltungsrechtlich begründet und richtig?
Wenn JA, welche Rechtsgrundlage kann dafür genannt werden?

Vielen Dank
Thomas Hahn

WernerSchell
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Widerspruchsbegründung - innerhalb welcher Frist ?

Beitrag von WernerSchell » 14.04.2009, 18:49

Sehr geehrter Herr Hahn,

ohne die näheren Einzelumstände zu kennen, wird mit allem Vorbehalt ganz allgemein wie folgt geantwortet:

Wird gegen einen Verwaltungsakt (der Pflegekasse) Widerspruch erhoben, ist im Allgemeinen eine Begründung sinnvoll. Denn es soll ja schließlich eine Korrektur der angegriffenen Verwaltungsentscheidung errreicht werden. Rein formal ist aber ein Widerspruch auch ohne Begründung ausreichend. Allerdings kennt dann die Behörde nicht die Erwägungen, die letztlich zum Widerspruch geführt haben, kann also möglicherweise die Belange des Widerspruchsführers nicht in ihre erneuten Überlegungen einbeziehen.
Insoweit ist die Behörde wohl in der Pflicht, alles zu tun, die noch fehlenden Widersprüchserwägungen kennen zu lernen und dann darüber zu befinden. Diesen Aufklärungsgeboten wird sie vor allem dadurch gerecht, indem sie dem Widerspruchsführer eine Nachfrist zur Ablieferung er Begründung setzt. Eine solche Frist ist nirgendwo exakt festgeschrieben, so dass diese Frist nach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen des "pflichtgemäßen Ermessens" zu bestimmen ist. Dabei wären die Einzelumstände zu bedenken, also die Gründe, die tatsächlich oder mutmaßlich für die ausstehende Begründung maßgeblich sind, z.B. Krankheit, Urlaubsabwesenheit, Aufklärungsnotwendigkeiten. Möglicherweise ist eine ausreichende Nachfrist auch deshalb geboten, weil der Widerspruchsführer weitere Informationen benötigt, z.B. ein bislang zurückgehaltenes Gutachten des MDK.
Im vorliegenden Falle sind die zuständigen Rechtsregeln zu finden im SGB X, Verwaltungsgerichtsordnung, Sozialgerichtsgesetz.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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ThomasH
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Beitrag von ThomasH » 15.04.2009, 14:30

Sehr geehrter Herr Schell,

recht herzlichen Dank für Ihre schnelle, infomative und ausreichende Anwort.

Im vorliegenden Fall hat mich die Familie des Pflegebedürftigen darum gebeten den Widerspruch zu erstellen.
Die von der zuständigen Pflegekasse gesetzte Frist zur Nachreichung der Widerspruchsbegründung kannte ich als solche nicht.
Ich hatte hier eine Willkür vermutet.
Jedoch so wie Sie schreiben, ist es durch aus sinnvoll vom Sozialleistungsträger mit einer Frist zu arbeiten, um von deren Seite aus im geschuldeten Zeitrahmen - gegenüber dem Versicherten - den ursprünglichen Widerspruch gegen den Einstufungsbescheid bearbeiten zu können.
So zumindest habe ich Ihre Ausführungen verstanden.

Nochmals vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hahn

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Nachfrist grundsätzlich akzeptabel

Beitrag von WernerSchell » 15.04.2009, 19:39

ThomasH hat geschrieben: ... Jedoch so wie Sie schreiben, ist es durch aus sinnvoll vom Sozialleistungsträger mit einer Frist zu arbeiten, um von deren Seite aus im geschuldeten Zeitrahmen - gegenüber dem Versicherten - den ursprünglichen Widerspruch gegen den Einstufungsbescheid bearbeiten zu können. So zumindest habe ich Ihre Ausführungen verstanden. ...
Sehr geehrter Herr Hahn,
gegen eine Nachfrist ist m.E. nichts einzuwenden, zumal ja in einem angemessenen Zeitrahmen über eine streitige Angelegenheit entschieden werden muss. Bei einer Nachfrist kann man wohl allenfalls darüber verschiedener Meinung sein, ob der Zeitrahmen für die Abgabe der Begründung korrekt, nachvollziehbar, gewählt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Cicero
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Nachfrist zur Widerspruchsbegründung korrekt

Beitrag von Cicero » 16.04.2009, 07:12

Nachfrist zur Widerspruchsbegründung korrekt !

Guten Morgen,
ich hatte ebenfalls vor einigen Monaten Gelegenheit, über die hier diskutierte Problematik nachzudenken. Daher kann ich gerne bestätigen, dass die von Herrn Schell vorgenommene Einschätzung genau treffend ist.
Verwaltungsakte müssen irgendwann eine bestimmte Situation regeln. Dazu ist es erforderlich, auch ein Rechtsmittelverfahren zeitgerecht abzuschließen. Wenn also eine Widerspruchsbegründung fehlt, kann sie durch angemessene Nachfrist eingefordert werden. Das ist entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen und ist nicht zu beanstanden.
MfG
Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

WernerSchell
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Der Sozialgerichtsprozess - Buchtipp

Beitrag von WernerSchell » 17.04.2009, 07:11

Ergänzend noch ein Buchtipp:

Niesel / Herold-Tews:
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ThomasH
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Beitrag von ThomasH » 25.04.2009, 12:47

Sehr geehrter Herr Schell,

vielen Dank für den Buchtipp.

Auch Ihnen, Cicero, vielen Dank für Ihre Beteiligung zu meiner Frage.

Zu Ihrer beiden Info: Ich hatte die zuständige Pflegekasse per Email angeschrieben und namens des Versicherten um Firstverlängerung gebeten.
Meiner Bitte wurde umgehend und freundlich mit einer ausreichenden Frsitverlängerung nach gekommen.

Dank Ihnen Beiden bin ich jetzt wieder einen Schritt weiter.

"Die Menschen kommen durch nichts den Göttern näher, als wenn sie Menschen glücklich machen" (Cicero)
Mein recht herzlicher Dank gilt Ihnen Beiden.

Mit den besten Grüßen
Thomas Hahn [/i]

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