ADHS-Diagnosen und Ritalin-Verordnungen boomen

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ADHS-Diagnosen und Ritalin-Verordnungen boomen

Beitrag von Presse » 30.01.2013, 07:45

BARMER GEK Arztreport 2013
ADHS-Diagnosen und Ritalin-Verordnungen boomen

Berlin - In Deutschland wächst eine „Generation ADHS“ heran: Unter Kindern und Jugendlichen bis 19 Jahre – so der heute in Berlin vorgestellte Arztreport 2013 der BARMER GEK – kletterte die Zahl diagnostizierter Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zwischen 2006 und 2011 von 2,92 auf 4,14 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von 42 Prozent. Altersübergreifend ist der Bevölkerungsanteil mit einer ADHS-Diagnose sogar um 49 Prozent gestiegen (von 0,61 auf 0,92 Prozent der Bevölkerung).

Im Jahr 2011 wurde ADHS bei rund 750.000 Personen festgestellt (552.000 Männer/197.000 Frauen). Mit rund 620.000 Personen entfiel das Gros auf die Altersgruppe bis 19 Jahre (472.000 Jungen/149.000 Mädchen). Besonders hohe Diagnoseraten seien zum Ende des Grundschulalters vor dem Übergang auf weiterführende Schulen zu verzeichnen, so die Reportautoren Dr. Thomas G. Grobe und Prof. Dr. Friedrich W. Schwartz vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) in Hannover. Dies könne unter anderem auch die Erwartungshaltungen der Eltern widerspiegeln. „In Deutschland wird immer häufiger ADHS diagnostiziert, obwohl das öffentliche und fachliche Bewusstsein für dieses Erkrankungsbild bei uns schon seit mehr als einem Jahrzehnt hoch ist“, so Schwartz.

Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK, sieht die Entwicklung der Diagnoseraten mit Sorge: „Dieser Anstieg erscheint inflationär. Wir müssen aufpassen, dass ADHS-Diagnostik nicht aus dem Ruder läuft und wir eine ADHS-Generation fabrizieren. Pillen gegen Erziehungsprobleme sind der falsche Weg.“ Es komme auf trennscharfe Diagnosen an. Außerdem gebe es eine Reihe von Therapieoptionen wie zum Beispiel ein effektives Elterntraining oder Verhaltenstherapie. „Ritalin darf nicht per se das Mittel der ersten Wahl sein.“

Junge Eltern überfordert?
Die Wissenschaftler aus Hannover ermittelten erstmals einige Eltern-abhängige Faktoren, die das Risiko für eine ADHS-Diagnose und die Verordnung von Medikamenten mit Methylphenidat bei Kindern beeinflussen. Demnach gibt es mit steigendem Ausbildungsniveau der Eltern ein sinkendes Risiko. Kinder arbeitsloser Eltern sind häufiger betroffen, ADHS wird bei Kindern von Gutverdienern tendenziell seltener diagnostiziert. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Kinder jüngerer Eltern ein höheres Diagnose-Risiko haben als diejenigen von Eltern mittleren Alters. So erhalten Kinder mit einem Elternteil im Alter zwischen 20 und 24 Jahren etwa 1,5 mal häufiger eine ADHS-Diagnose als Kinder mit Eltern zwischen 30 und 35 Jahren. „Ob das an einer größeren Gelassenheit von Eltern im fortgeschrittenen Alter liegt oder an Erziehungsproblemen jüngerer, bleibt offen“, sagt Schlenker.

ADHS-Hochburg Würzburg
Auffällig sind auch die regionalen Unterschiede, wobei die Region Würzburg hervorsticht, so Grobe. Während die ADHS-Diagnoserate bei Jungen im Alter von zehn bis zwölf Jahren im Jahr 2011 im Bundesdurchschnitt bei knapp 12 Prozent lag, haben Ärzte in Unterfranken diese Diagnose bei 18,8 Prozent der Jungen dieser Altersgruppe gestellt. Bei Mädchen waren es bundesdurchschnittlich ca. 4 Prozent gegenüber 8,8 Prozent in Unterfranken. Bei der Arzneimitteltherapie tritt der Unterschied noch deutlicher zutage: Im Alter von zehn bis zwölf Jahren erhielten bundesweit rund 6,5 Prozent der Jungen eine Verordnung – in Unterfranken waren es mit 13,3 Prozent mehr als doppelt so viel (Mädchen ca. 5,5 Prozent vs. 2 Prozent im Bundesdurchschnitt). „Auffällig sind jedenfalls die gegenüber dem Bundesdurchschnitt höheren Diagnoseraten der Hausärzte und speziell der Kinder- und Jugendpsychiater.“ Letztlich blieben die Ursachen für den ADHS-Boom im Raum Würzburg aber unklar, so Schlenker.

Jeder fünfte Junge mit ADHS-Diagnose, jeder zehnte mit Ritalin-Rezept
In der bundesweiten Verlaufsbetrachtung erhöht sich der Anteil noch einmal: So waren fast 20 Prozent aller Jungen, die im Jahr 2000 geboren wurden, zwischen 2006 und 2011 von einer ADHS-Diagnose betroffen. Bei den Mädchen dieses Jahrgangs waren es 7,8 Prozent. Im Laufe ihres Lebens müssen nach ISEG-Schätzungen ein Viertel aller Männer und mehr als 10 Prozent aller Frauen mit einer ADHS-Diagnose rechnen. Bleiben bei den Berechnungen Personen mit nur einmaliger Diagnose unberücksichtigt, sind nach ISEG-Schätzungen immer noch rund 20 Prozent der Männer und 8 Prozent der Frauen betroffen.

Die Verordnungsraten von Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, sind zwischen 2006 und 2011 gestiegen, wobei die Menge der verordneten Tagesdosen nach 2010 erstmals zurückging. Die höchsten Verordnungsraten finden sich im Alter von elf Jahren. In diesem Alter erhielten 2011 rund 7 Prozent der Jungen und 2 Prozent der Mädchen eine Verordnung. Insgesamt wurde Methylphenidat rund 336.000 Personen verschrieben. Im Laufe der Kindheit und Jugend dürften damit schätzungsweise 10 Prozent aller Jungen und 3,5 Prozent aller Mädchen mindestens einmal Methylphenidat erhalten.

Detailgenaues Bild ärztlicher Versorgung: Kontaktraten weiter hoch
Neben dem Schwerpunktthema ADHS zeichnet der BARMER GEK Arztreport ein detailliertes Bild der ambulanten ärztlichen Versorgung in Deutschland. Demnach gibt es 2011 eine Behandlungsrate von 92,4 Prozent. Nur knapp 8 Prozent der Bevölkerung hatten damit keinen Kontakt zu einem Arzt. Im statistischen Durchschnitt wurden für jeden Versicherten 2011 pro Quartal etwas mehr als zwei Behandlungsfälle abgerechnet, im gesamten Jahr 8,23 Behandlungsfälle (absolut 673 Millionen Fälle) und damit etwas mehr als 2010. Die Zahl der Arztkontakte – nur abzuschätzen durch Rückschlüsse aus den Behandlungsfällen – dürfte weiterhin auf dem hohen Niveau von 2008 liegen, als 18,1 Kontakte ermittelt worden waren.

Ob der Wegfall der Praxisgebühr zum 1. Januar 2013 zu einer höheren Inanspruchnahme von Fachärzten unter Umgehung von Hausärzten führt, bleibt bisher noch Spekulation. Belastbare Zahlen werden frühestens im Jahr 2014 erwartet.

Mehr Informationen unter http://www.barmer-gek.de/543296
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Tel.: 0800 33 20 60 99 1420
presse@barmer-gek.de
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Dr. Kai Behrens, Tel.: 0800 33 20 60 44 3020

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Immer mehr MPH-Verordnungen: Die Generation ADHS
Für die Barmer GEK steht fest: In Deutschland wächst eine "Generation ADHS" heran. Immer mehr Kinder bekommen
Methylphenidat verschrieben. Wissenschaftler fragen: Wird in Deutschland "Schuldoping" betrieben?
mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=830 ... ung&n=2495

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Viele Defizite bei ADHS

Beitrag von Presse » 05.02.2013, 07:27

Kommentar: Viele Defizite bei ADHS
Immer mehr Kinder in Deutschland werden mit Medikamenten gegen Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) behandelt. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=830 ... dhs&n=2506

Pädiatrie: Sehr wenig Evidenz für ADHS-Therapie
Die Wirksamkeit nicht-medikamentöser Therapien gegen ADHS ist kaum in Studien belegt. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=830 ... dhs&n=2506

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Ritalin: Hohe Verordnungszahlen bei Kindern ....

Beitrag von Presse » 12.02.2013, 11:09

Ritalin: Hohe Verordnungszahlen bei Kindern und Jugendlichen
Mehr als ein Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wird mit Methylphenidat behandelt. Der Verordnungsgipfel liegt bei 9
bis 11 Jahren. Dies geht aus einer Studie in BMC Psychiatry (2013: 13:11) hervor. Methylphenidat ... »
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... gendlichen

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ADHS: Broschüre gegen Stigmatisierung

Beitrag von WernerSchell » 08.12.2015, 07:33

Ärzte Zeitung vom 08.12.2015
ADHS: Broschüre gegen Stigmatisierung
Eine erfundene Krankheit, erziehungsunfähige Eltern, dazu die Pharmaindustrie, die Kinder mit Medikamenten ruhig stellt - zu ADHS
existieren viele Mythen und Fehlinformationen. Leidtragende sind die betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihre Familien.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=900 ... dhs&n=4664
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Die Kinderkrankmacher - Geschäft mit unseren Kindern

Beitrag von WernerSchell » 08.12.2015, 07:36

Siehe auch:

Buchtipp!

Beate Frenkel, Astrid Randerath

Die Kinderkrankmacher
Zwischen Leistungsdruck und Perfektion - Das Geschäft mit unseren Kindern

Bild

Verlag Herder, 2015
272 Seiten
geb. m. Schutzumschlag
Bestell-Nr.:4311981
ISBN: 978-3-451-31198-7
Preis: 19,99 €inkl. MwSt. zzgl. evtl. Versandkosten

Kinder müssen funktionieren und perfekt sein - so will es die Gesellschaft!

Früher wurden Kinder mit dem Rohrstock gedrillt, heute sollen Psychopharmaka helfen, dass auch die Kleinsten funktionieren. Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt. Fürchten um die Zukunftsperspektiven ihres Nachwuchses. Das hat die Pharmaindustrie erkannt und macht sich diese Ängste zunutze, um daraus Kapital zu schlagen. Sie hat ihre neue Zielgruppe, die Kinder und Jugendlichen, fest im Griff. Die sind heute angeblich schon krank, wenn sie zappelig, laut oder auch still sind. Gegen all das gibt es Pillen. Ein Milliardengeschäft auf Kosten der Kinder.
Nach dem Boom der ADHS-Medikamente, werden jetzt neue Diagnosen gestellt; neue Pillen verschrieben. Schwermütig, ängstliche, traurige Kinder bekommen starke Neuroleptika oder Antidepressiva verordnet, die für Kinder nicht entwickelt wurden. Was machen diese Medikamente langfristig mit unseren Kindern? Die möglichen Nebenwirkungen und Folgen sollten alarmieren: Fettleibigkeit, Diabetes oder schwere Hormonstörungen gehören dazu.
Aus dem Druck zu funktionieren und dem Wunsch sich zu perfektionieren entsteht für Kinder eine gefährliche Mischung: Sie wollen nicht nur ein brilliantes Abitur machen, sondern auch makellos aussehen. Immer öfter äußern sogar schon Kinder den Wunsch nach einer Schönheits-OP.

»Wie kann das alles sein? Wir haben uns auf die Suche gemacht. Mit Wissenschaftlern gesprochen, die seit Jahren ein Krankmachen von Kindern beobachten und davor eindringlich warnen. Mit Eltern, die unter Druck gesetzt werden und keinen anderen Ausweg sehen als die Pillen. Mit Lehrern, die Angst vor dem Unterricht haben, völlig ausgelaugt sind, weil Kinder nicht mehr beschulbar sind. Mit Ärzten, die von der Pharmaindustrie umworben werden, damit sie Psychopillen verschreiben. Mit Pharmainsidern, die ihre Tricks verraten, um Medikamente auch an die jüngsten Patienten zu bringen. Und mit Kindern, die schwerste Nebenwirkungen erlitten haben: Jungen, denen Brüste wuchsen. Junge Erwachsene, die sagen ihr Leben sei durch die Psychopillen zerstört worden. Mit Eltern, deren Kinder den Tablettenkonsum nicht überlebten. Und mit Eltern, Lehrern und Ärzten, die bei all dem nicht mehr mitmachen wollen und uns zeigen, dass es auch anders geht - ohne Medikamente.
Verhaltensauffällige Kinder sind ein großer Markt. Denn sie sind ja angeblich krank, und damit sie (wieder) so werden, wie sie sein sollen, müssen sie zuerst gesundgemacht werden. Sagen zumindest die, die daran verdienen. Denn die neuen Krankheiten sind ein Milliarden-Geschäft. Milliardenbeträge, die in die Taschen der Pharmaindustrie wandern.«
Aus dem Vorwort

Was macht der Optimierungswahn mit dem Nachwuchs in unserem Landes? Was sagt das über uns als Gesellschaft aus? Und was können wir tun?

Quelle und weitere Informationen:
http://www.herdershop24.de/Die-Kinderkr ... rankmacher

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Anmerkung der Moderation:
Die Medikamentenflut und die damit verbundenen Kosten müssen eingedämmt werden. Die Pharmaindustrie bringt zu viele Medikamente mit geringer Innovationskraft auf den Markt. Es gibt daher massive Krankenkassenkritik. Es war und ist daher richtig festzustellen: "Weniger ist oft mehr!"
> viewtopic.php?f=4&t=20834
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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