Pressemitteilung Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 05.10.2016:
Globalisierung hat Altenpflege erreicht
24-Stunden-Betreuung durch migrantische Pflegekräfte und Pflegemigration in Billiglohnländer kennzeichnen Entwicklung in Langzeitpflege
Die Betreuung von alten und pflegebedürftigen Menschen ist in Deutschland ohne Unterstützung aus dem Ausland kaum noch zu leisten: Schätzungen zufolge arbeiten derzeit 100.000 bis 200.000 Pflegearbeiterinnen vor allem aus Osteuropa in deutschen Haushalten, um die Pflegenden bei der Versorgung ihrer Angehörigen zu unterstützen und zu entlasten.
„Tatsächlich dürfte die Zahl aber wesentlich höher liegen, weil ein Großteil der osteuropäischen Pflegearbeiterinnen illegal tätig ist und nicht erfasst wird“, sagt Prof. Dr. Cornelia Schweppe von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zur aktuellen Lage. „Die Beschäftigung migrantischer Pflegekräfte in Privathaushalten ist ein Massenphänomen.“ Demgegenüber scheint die Verlagerung der Betreuung in ausländische und hier insbesondere osteuropäische und asiatische Pflegeeinrichtungen noch in den Kinderschuhen zu stecken.
„Wir sehen in der Forschung, dass sich Alter nicht mehr nur national fassen lässt“, erklärt Cornelia Schweppe, Professorin für Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der JGU, zu der zunehmenden Globalisierung der Altenpflege. Während in Ländern wie den Niederlanden Pflege viel mehr als staatliche Aufgabe verstanden wird, liegt die Altenpflege in Deutschland stärker in den Händen der Familie. Das ist nicht nur Wunsch der Betroffenen und Familienangehörigen, sondern auch Maßgabe der Altenpolitik. „Um aber die Betreuung im Privathaushalt überhaupt möglich zu machen, wird zunehmend auf Ressourcen anderer Länder zugegriffen“, so Schweppe. Im Falle von Deutschland heißt das, es kommen vor allem Pflegearbeiterinnen aus Osteuropa ins Land, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche die Betreuung übernehmen.
Ein anderes Phänomen findet unter dem Schlagwort „Oma-Export“ das Interesse der Öffentlichkeit: Medien berichteten rege über die Pflegemigration in benachbarte osteuropäische Länder und nach Asien. Dort entfaltet sich ein Markt mit Alteneinrichtungen, der sich speziell an deutschsprachige Menschen richtet. Den Untersuchungen der Mainzer Arbeitsgruppe zufolge stößt diese Form der Altenversorgung tatsächlich hierzulande noch auf eine begrenzte Nachfrage. „Von einem Boom kann in Deutschland bisher keine Rede sein“, so Schweppe mit einem Hinweis darauf, dass die zukünftige Entwicklung schwer abzusehen ist. Beispielsweise verzeichnet Japan, das Land mit der höchsten Altenrate weltweit, Wanderbewegungen von betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen nach Malaysia, auf die Philippinen oder nach Thailand.
Während „Pflege“ also in Deutschland noch immer vorwiegend „Pflege in der Familie“ heißt, beobachten die Wissenschaftler zunehmend Migrationsprozesse von Älteren, die in Asien nicht nur klassische Pflegeversorgungsleistungen in Anspruch nehmen, sondern eng mit dem Prostitutionsmilieu verbunden sind. „Wir betrachten in unseren Forschungen die Migrationsprozesse von älteren Menschen und es ist auffallend, wie viele ältere Männer aus Deutschland und der Schweiz nach Thailand ziehen.“ Der Weg ins Prostitutionsmilieu ist dabei keineswegs auf die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen begrenzt. „Angesichts der mangelnden Möglichkeiten im Alter eine Partnerin in Deutschland zu finden, ist das Prostitutionsmilieu für viele mit der Hoffnung auf eine längerfristige Beziehung zu einer Frau verbunden – zuweilen einhergehend mit der Hoffnung, sich von jungen thailändischen Frauen versorgen zu lassen“, so Cornelia Schweppe. Solche „Altersbedarfe“, so die wissenschaftliche Bezeichnung, finden sich ebenfalls bei älteren Frauen, die zu diesem Zweck nach Kenia reisen.
Mit transnationaler Altenpflege in all ihren Facetten befasst sich am Donnerstag, 6. Oktober und Freitag, 7. Oktober 2016 ein internationales Symposium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das „3rd International Symposium on Transnational Aging“ bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern in Mainz zusammen, um über die grenzüberschreitende Langzeitpflege für alte Menschen zu diskutieren. Dabei werden die sozialen Auswirkungen der zunehmenden Transnationalisierung auch im Zusammenhang mit modernen
Informations- und Kommunikationstechnologien betrachtet. Ein weiterer Aspekt befasst sich mit der Frage, wie die Forschung bei Menschen mit Demenz die tatsächlichen Bedürfnisse ermitteln kann.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Cornelia Schweppe
AG Sozialpädagogik
Institut für Erziehungswissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-20727
Fax +49 6131 39-26165
E-Mail: c.schweppe@uni-mainz.de
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/140.php
Weitere Links:
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/index.php
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-
mainz.de/Dateien/Flyer%20Symposium%20Oct%2016.pdf (Programm der Tagung)
Globalisierung hat Altenpflege erreicht - 24-Stunden-Pflege
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Pflege zu Hause - Ein anderer Weg
Aus Forum:
viewtopic.php?f=4&t=19168&p=97802#p97802
"test", Zeitschrift der Stiftung Warentest, berichtet in der Mai-Ausgabe 2017 u.a. zum Thema:
"Trautes Heim, da will ich sein - Helferinnen aus dem Osten"
"Pflege zu Hause - Ein anderer Weg."
Rundum versorgt dank osteuropäischer Betreuungskraft. So lautet das Werbeversprechen von Vermittlungsagenturen. Sie kooperieren in aller Regel mit Partnerfirmen in Ländern wie Polen, Bulgarien, Rumänien, die Personal rekrutieren und nach Deutschland schicken. Wir haben 13 bundesweit tätige Vermittlungsagenturen getestet – und deckten einige Schwachstellen auf. Wer die Agenturen nutzt, handelt nicht illegal. Er sollte aber ein paar Dinge beachten.
Näheres unter > https://www.test.de/Pflege-zu-Hause-Die ... 5170957-0/
Siehe dazu die Buchveröffentlichung:
Damit es Oma gutgeht
Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden
Näheres unter > viewtopic.php?f=3&t=21560
viewtopic.php?f=4&t=19168&p=97802#p97802
"test", Zeitschrift der Stiftung Warentest, berichtet in der Mai-Ausgabe 2017 u.a. zum Thema:
"Trautes Heim, da will ich sein - Helferinnen aus dem Osten"
"Pflege zu Hause - Ein anderer Weg."
Rundum versorgt dank osteuropäischer Betreuungskraft. So lautet das Werbeversprechen von Vermittlungsagenturen. Sie kooperieren in aller Regel mit Partnerfirmen in Ländern wie Polen, Bulgarien, Rumänien, die Personal rekrutieren und nach Deutschland schicken. Wir haben 13 bundesweit tätige Vermittlungsagenturen getestet – und deckten einige Schwachstellen auf. Wer die Agenturen nutzt, handelt nicht illegal. Er sollte aber ein paar Dinge beachten.
Näheres unter > https://www.test.de/Pflege-zu-Hause-Die ... 5170957-0/
Siehe dazu die Buchveröffentlichung:
Damit es Oma gutgeht
Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden
Näheres unter > viewtopic.php?f=3&t=21560
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Tätigkeitsprofil von Betreuungspersonen ...
Studie zeigt Tätigkeitsprofil von Betreuungspersonen in der sogenannten „24-Stunden-Betreuung“
Verfasst am 1. August 2017 von jule.
Sie arbeiten schwarz, 24 Stunden am Tag, fühlen sich ausgebeutet, verdienen einen Hungerlohn, sind rechts- und versicherungslos, sprechen kaum Deutsch und sind schlecht ausgebildet. Dieses Bild haben viele von osteuropäischen Betreuungspersonen, die in deutschen Privathaushalten in der sogenannten „24-Stunden-Betreuung“ (Betreuung in häuslicher Gemeinschaft) tätig sind. Doch die Realität sieht völlig anders aus: Die Betreuungspersonen betrachten sich selbst als fair behandelt und empfinden ihre Entlohnung meist als angemessen.
Erstmals wurden die Tätigkeiten, die polnische Betreuungspersonen in deutschen Privathaushalten erbringen, sowie deren persönlichen, beruflichen und finanziellen Hintergründe wissenschaftlich untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP e.V.) und die Hausengel PflegeAllianz e.V. haben die breit angelegte Studie bei der Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland (BAGSS) in Auftrag gegeben. Insgesamt wurden 904 polnische Betreuungspersonen, 94 Familienangehörige pflegebedürftiger Senioren und 65 Dienstleistungsunternehmen der Branche befragt, sowie elf Tagesablaufprotokolle ausgewertet.
Fairness, Autonomie und gute Bildung
Die zentralen Erkenntnisse der Studie überraschen: Die überwiegende Mehrheit der Betreuungspersonen bewertet ihr Beschäftigungsverhältnis als fair und durch einen hohen Grad an Autonomie gekennzeichnet. Knapp 98% der Befragten verfügen über umfassende Erfahrung als Betreuungsperson, 78% von ihnen besitzen mindestens Abitur.
Der Studie zufolge sind die Hauptaufgaben dieser Personen die klassische Hauswirtschaft (2:42 Stunden/Tag), Betreuung (2:15 Stunden/Tag) und Grundpflege (1:41 Stunden am Tag). Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von Betreuungspersonen in häuslicher Gemeinschaft beträgt laut der Studie sechs Stunden und 47 Minuten, was rund 45 Stunden in der Woche ausmacht. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen dieser Betreuungspersonen beträgt rund 1200 Euro bei freier Kost und Logis. Dies ist in etwa mit einem Bruttoeinkommen von 2000 bis 2200 Euro gleichzusetzen.
„Für mich steht bei meiner Arbeit die Unterstützung absolut aller im Pflegeprozess beteiligten Personen im Vordergrund. Dazu gehören ganz klar auch Betreuungspersonen aus Osteuropa. Wir können nicht immer so tun, als wären diese Kräfte nicht da und als wären sie alle nicht qualifiziert und würden ausgebeutet. Die Studie zeigt ein klares Bild der Tätigkeiten dieser Kräfte. Wir sollten sie endlich anerkennen und offiziell in Pflegesettings integrieren“, so Markus Oppel, Vorstandsvorsitzender der Hausengel PflegeAllianz e.V.
Integration in das deutsche Pflegeversicherungssystem
Frederic Seebohm, Geschäftsführer des Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP e.V.) geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert: „Die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ist zur selbstverständlichen und unverzichtbaren Versorgungsform alter und kranker Menschen geworden. Der VHBP setzt sich dafür ein, dass sie nach der Bundestagswahl Eingang in das reguläre Pflegeversicherungssystem findet.“
Der vollständige Forschungsbericht steht unter folgendem Link zum Download bereit: http://www.bagss.de/fileadmin/user_uplo ... Studie.pdf
Quelle: Mitteilung vom 01.08.2017
Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V.
Friedrichstraße 191, 10117 Berlin
Tel: 030-20659-427, Fax 030-20659-200
info@vhbp.de
http://www.vhbp.de
Verfasst am 1. August 2017 von jule.
Sie arbeiten schwarz, 24 Stunden am Tag, fühlen sich ausgebeutet, verdienen einen Hungerlohn, sind rechts- und versicherungslos, sprechen kaum Deutsch und sind schlecht ausgebildet. Dieses Bild haben viele von osteuropäischen Betreuungspersonen, die in deutschen Privathaushalten in der sogenannten „24-Stunden-Betreuung“ (Betreuung in häuslicher Gemeinschaft) tätig sind. Doch die Realität sieht völlig anders aus: Die Betreuungspersonen betrachten sich selbst als fair behandelt und empfinden ihre Entlohnung meist als angemessen.
Erstmals wurden die Tätigkeiten, die polnische Betreuungspersonen in deutschen Privathaushalten erbringen, sowie deren persönlichen, beruflichen und finanziellen Hintergründe wissenschaftlich untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP e.V.) und die Hausengel PflegeAllianz e.V. haben die breit angelegte Studie bei der Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland (BAGSS) in Auftrag gegeben. Insgesamt wurden 904 polnische Betreuungspersonen, 94 Familienangehörige pflegebedürftiger Senioren und 65 Dienstleistungsunternehmen der Branche befragt, sowie elf Tagesablaufprotokolle ausgewertet.
Fairness, Autonomie und gute Bildung
Die zentralen Erkenntnisse der Studie überraschen: Die überwiegende Mehrheit der Betreuungspersonen bewertet ihr Beschäftigungsverhältnis als fair und durch einen hohen Grad an Autonomie gekennzeichnet. Knapp 98% der Befragten verfügen über umfassende Erfahrung als Betreuungsperson, 78% von ihnen besitzen mindestens Abitur.
Der Studie zufolge sind die Hauptaufgaben dieser Personen die klassische Hauswirtschaft (2:42 Stunden/Tag), Betreuung (2:15 Stunden/Tag) und Grundpflege (1:41 Stunden am Tag). Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von Betreuungspersonen in häuslicher Gemeinschaft beträgt laut der Studie sechs Stunden und 47 Minuten, was rund 45 Stunden in der Woche ausmacht. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen dieser Betreuungspersonen beträgt rund 1200 Euro bei freier Kost und Logis. Dies ist in etwa mit einem Bruttoeinkommen von 2000 bis 2200 Euro gleichzusetzen.
„Für mich steht bei meiner Arbeit die Unterstützung absolut aller im Pflegeprozess beteiligten Personen im Vordergrund. Dazu gehören ganz klar auch Betreuungspersonen aus Osteuropa. Wir können nicht immer so tun, als wären diese Kräfte nicht da und als wären sie alle nicht qualifiziert und würden ausgebeutet. Die Studie zeigt ein klares Bild der Tätigkeiten dieser Kräfte. Wir sollten sie endlich anerkennen und offiziell in Pflegesettings integrieren“, so Markus Oppel, Vorstandsvorsitzender der Hausengel PflegeAllianz e.V.
Integration in das deutsche Pflegeversicherungssystem
Frederic Seebohm, Geschäftsführer des Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP e.V.) geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert: „Die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ist zur selbstverständlichen und unverzichtbaren Versorgungsform alter und kranker Menschen geworden. Der VHBP setzt sich dafür ein, dass sie nach der Bundestagswahl Eingang in das reguläre Pflegeversicherungssystem findet.“
Der vollständige Forschungsbericht steht unter folgendem Link zum Download bereit: http://www.bagss.de/fileadmin/user_uplo ... Studie.pdf
Quelle: Mitteilung vom 01.08.2017
Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V.
Friedrichstraße 191, 10117 Berlin
Tel: 030-20659-427, Fax 030-20659-200
info@vhbp.de
http://www.vhbp.de