KDA legt Eckpunktepapier zur Neuausrichtung kommunaler Altenhilfeplanung vor:
Abkehr vom einseitigen Ausbau stationärer Pflege hin zu mehr Wohnen und Teilhabe macht Kommunen zukunftsfest
Nürnberg (KDA) - 25. März 2009 - Um Altenhilfe zukünftig weiter finanzierbar und bedarfsgerecht zu gestalten, braucht die kommunale Seniorenpolitik eine Neuausrichtung. Vorschläge dazu stellte das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) heute auf einer Pressekonferenz in Nürnberg vor; denn die Kommunen in Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen, wenn sie eine moderne und angemessene Infra- und Versorgungsstruktur für ihre älteren Bürgerinnen und Bürger sicherstellen wollen. Derzeit reagieren sie noch zu häufig mit dem Ausbau professioneller und vor allem stationärer Versorgungsstrukturen. „Ein Weg, der mit sehr vielen Risiken behaftet ist", beurteilte KDA-Geschäftsführer Dr. Peter Michell-Auli die Lage. „Nicht nur, weil der einseitige Ausbau an den Bedarfen der Senioren vorbeigeht - das klassische Alten- und Pflegeheim hat in den vergangenen Jahren bei der älteren Bevölkerung stark an Akzeptanz verloren - sondern auch, weil dieser Weg auf Dauer kaum noch zu finanzieren ist." Denn ein immer größerer Teil der Kosten für die vollstationäre Dauerpflege werde von den Kommunen als örtlicher Soziahilfeträger übernommen werden müssen, da vie-le Heimbewohnerinnen und -bewohner aufgrund gestiegener Eigenanteile bei den Pflegesätzen zukünftig mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein würden. „Nach Berechnungen, die uns aus einzelnen Kreisen vorliegen, entsteht den Kommunen das Zwei- bis Dreifache an Mehrkosten für Unterstützungsleistungen bei ‚Hilfe zur Pflege', wenn sie weiterhin auf den einseitigen Ausbau professioneller Versorgungsstrukturen setzen", so Michell-Auli weiter.
Überangebot und mangelnde Auslastung bei der stationären Altenhilfe
Er wies auch darauf hin, dass es in einigen Regionen Deutschlands - hervorgerufen durch ei-nen regelrechten Immobilienboom in diesem Marktsegment - mittlerweile Überkapazitäten im Heimbereich gebe. So würde beispielsweise in Bayern kein Pflegeheimbau mehr gefördert werden, weil der Bedarf dort gedeckt sei. In Niedersachsen habe man in manchen Regionen mit bis zu 20 Prozent an Überkapazitäten zu kämpfen. Das Überangebot drückt auf die Auslastung. „In einzelnen Landkreisen geht die Auslastung schon mal unter 70 Prozent und erhöht damit die Insolvenzgefahr", erklärte der KDA-Geschäftsführer. „Wir haben in letzter Zeit re-gelmäßig Hilferufe von Kommunen erhalten, wie sie die Bauvorhaben privater Investoren verhindern könnten, da diese am Bedarf vor Ort vorbeigehen."
Darauf hat das KDA reagiert und ein „Eckpunktepapier für eine Neugestaltung der kommunalen Seniorenpolitik" vorgelegt, das Kommunen dabei unterstützen will, ihre Seniorenpolitik zukunftsweisend auszurichten. „Es geht dabei um einen Paradigmenwechsel", erklärte die KDA-Sozialwissenschaftlerin Ursula Kremer-Preiß. „Weg von der Schaffung reiner Versorgungsstrukturen, stattdessen hin zur Stärkung des ‚normalen Wohnens' und zur Stärkung von Mitwirkung und Teilhabe. Das sind die wesentlichen Elemente einer quartiersbezogenen Al-tenhilfe und Seniorenpolitik, die sowohl den Wünschen und Bedürfnissen der meisten Bürgerinnen und Bürgern entspricht als auch die Kommunen entlastet." Es komme zukünftig auf dezentrale Strukturen an. Das beträfe zum einen die Versorgungsangebote, die kleinteilig or-ganisiert werden sollten, damit sich ältere Menschen darin orientieren und damit identifizieren könnten. Zum anderen gehe es um eine kleinräumige Organisationsstruktur. Diese sichere den sozialen Zusammenhalt und sei eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung von Eigen-initiative und generationenübergreifender gegenseitiger Hilfe, die in Zukunft so dringend be-nötigt werde. „Wir kennen schon eine Reihe von Kommunen, die sich in diese Richtung auf den Weg gemacht haben. Wir wissen aber auch, dass der Weg für eine solche Umstrukturierung nicht einfach ist", so Kremer-Preiß weiter.
Erfahrungen aus zwei Kommunen
Letzteres zeigt das Beispiel der 65.000-Einwohner-Stadt Kerpen in NRW. Im größten Stadtteil Sindorf mit 16.000 Einwohnern wollte man die Versorgungssituation pflegebedürftiger Seniorinnen und Senioren sicherstellen. Favorisiert wurde hier auf Grundlage der vom Rat verabschiedeten Seniorenleitlinien eine Pflegeeinrichtung mit kleinteiligem Angebot und begrenzter Platzzahl. Als Standort war ein an S-Bahn und Zentrum direkt angebundenes Grundstück vorgesehen, das einen kleineren Bau mit maximal 35 Plätzen zuließ. Die Investorensuche gestaltete sich aber schwierig, weil der Bau einer Einrichtung mit weniger als 80 Plätzen für unrentabel gehalten wurde. Es gab lediglich einen Investor, der eine 80-Betten Einrichtung etwa einen Kilometer außerhalb des Stadtteilzentrums von Sindorf bauen wollte. „Auf dieser Grundlage entfachte sich eine politische Kontroverse über die Standortwahl und notwendige Anzahl von Pflegeplätzen im Ortsteil, berichtete Hans Maus, Abteilungsleiter für Senioren, Behinderte und soziale Hilfen der Stadt Kerpen. „In dieser etwas verfahrenen Situation kamen wir aber glücklicherweise auf die Idee, uns zur Entscheidungsfindung die Haltung des als poli-tisch neutral anerkannten KDA anzuhören. Und die von Frau Kremer-Preiß vorgetragenen Argumente haben überzeugt", freute sich Hans Maus. „Heute besteht ein parteiübergreifender Konsenz darüber, die Weichen in Kerpen auf einen Pflege-Mix mit kleinteiligen, vernetzten Wohn- und Versorgungsstrukturen umzustellen. Am Beispiel des Ortsteils Sindorf wollen wir nun ein umsetzungsfähiges Konzept für das Leben und Wohnen im Quartier erarbeiten."
Auf kleinräumige Netzwerkstrukturen setzt die Stadt Dortmund schon seit 2005 und fährt erfolgreich damit: Zwölf hauptamtlich geführte Seniorenbüros in allen Dortmunder Stadtbezirken bringen mit Unterstützung der in jedem Bezirk inzwischen vorhandenen „Runden Tische für Altenarbeit" in der Ruhrgebietsstadt alle Akteure der jeweiligen Stadtbezirke zusammen, um vor Ort enge Altenhilfenetze zu knüpfen. „Wir sind schon stolz darauf, dass in Zusammenarbeit von Kommune, Wohlfahrtsverbänden, bürgerschaftlich Engagierten und wei-teren inzwischen über 700 Akteuren wie zum Beispiel Polizei und Lebensmittelgeschäften eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der älteren Menschen entstanden ist", so Diplom-Sozialwissenschaftler Reinhard Pohlmann, Bereichsleiter für Senioren der Stadt Dortmund. „Viele Ratsuchende wundern sich, wie viele Möglichkeiten es in Dortmund gibt, trotz Pflegebedarf zu Hause gut versorgt zu werden und damit den vorzeitigen Einzug ins Pflegeheim zu vermeiden." Die zukunftsweisende Seniorenarbeit zeigt Wirkung: „Unsere rund 35.000 Kundenkontakte im letzten Jahr haben meistens dazu geführt, dass ein Heimeinzug vermieden wurde", berichtete Pohlmann. Die Dortmunder haben den Eindruck, dass sich ihr Konzept bei Investoren für neue Pflegeheime scheinbar herumspricht: Die Anfragen sind spürbar zurückgegangen.
Quelle: Pressemitteilung vom 25.3.2009
Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA)
Kontakt: Ines Jonas und Harald Raabe
Fon: 02 21/93 18 47-19 oder -39
E-Mail: publicrelations@kda.de
Neuausrichtung kommunaler Altenhilfeplanung
Moderator: WernerSchell
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Neuausrichtung kommunaler Altenhilfeplanung: Abkehr vom einseitigen Ausbau stationärer Pflege hin zu mehr Wohnen und Teilhabe macht Kommunen zukunftsfest
Die Kommunen in Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen, wenn sie eine moderne und angemessene Infra- und Versorgungsstruktur für ihre älteren Bürgerinnen und Bürger sicherstellen wollen. Das KDA will Kommunen dabei unterstützen, ihre Seniorenpolitik zukunftsweisend auszurichten. Dabei geht es um einen Paradigmenwechsel: Weg von der Schaffung reiner Versorgungsstrukturen, stattdessen hin zur Stärkung des ‚normalen Wohnens' und zur Stärkung von Mitwirkung und Teilhabe. Das sind - nach Auffassung des KDA - die wesentlichen Elemente einer quartiersbezogenen Altenhilfe und Seniorenpolitik, die sowohl den Wünschen und Bedürfnissen der meisten Bürgerinnen und Bürgern entspricht als auch die Kommunen entlastet. Weiter lesen...
http://www.kda.de/news-detail/items/pm-2009-03-25.html
Die Kommunen in Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen, wenn sie eine moderne und angemessene Infra- und Versorgungsstruktur für ihre älteren Bürgerinnen und Bürger sicherstellen wollen. Das KDA will Kommunen dabei unterstützen, ihre Seniorenpolitik zukunftsweisend auszurichten. Dabei geht es um einen Paradigmenwechsel: Weg von der Schaffung reiner Versorgungsstrukturen, stattdessen hin zur Stärkung des ‚normalen Wohnens' und zur Stärkung von Mitwirkung und Teilhabe. Das sind - nach Auffassung des KDA - die wesentlichen Elemente einer quartiersbezogenen Altenhilfe und Seniorenpolitik, die sowohl den Wünschen und Bedürfnissen der meisten Bürgerinnen und Bürgern entspricht als auch die Kommunen entlastet. Weiter lesen...
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Planung von Wohn- und Betreuungsangeboten ...
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
21.01.2015
Planung von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere und behinderte bzw. pflegebedürftige Menschen
Das Alten- und Pflegesetz Nordrhein-Westfalen - APG NRW - vom 02.10.2014 (GV. NRW - Ausgabe 2014 Nr. 29 vom 15.10.2014 1) regelt die Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und beschreibt Grundsätze zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen.
Dabei ist das Ziel die Sicherstellung einer leistungsfähigen und nachhaltigen Unterstützungsstruktur für ältere Menschen und pflegebedürftige Menschen sowie deren Angehörige durch die Förderung der Entstehung, Entwicklung und Qualität von Dienstleistungen, Beratungsangeboten, Pflegeeinrichtungen und alternativen Wohnformen. Sämtliche Maßnahmen nach diesem Gesetz sind darauf auszurichten, das Selbstbestimmungsrecht von älteren Menschen und pflegebedürftigen Menschen in jeder Lebensphase zu sichern (§ 1 APG NRW).
Ausgangspunkt für Planungen und die Gestaltung der Angebote sind die Bedarfe älterer Menschen, pflegebedürftiger Menschen und deren Angehöriger. Die Angebote sollen orts- beziehungsweise stadtteilbezogen vorgehalten und weiterentwickelt werden und den älteren oder pflegebedürftigen Menschen weitestgehend ermöglichen, an dem Ort ihrer Wahl wohnen zu können; die besonderen Bedarfe des ländlichen Raums sind zu berücksichtigen (§ 2 APG NRW).
Die Kreise und kreisfreien Städte sind nach dem APG NRW verpflichtet, eine den örtlichen Bedarfen entsprechende pflegerische Angebotsstruktur sicherzustellen, und beziehen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden ein (§ 4 APG NRW). Dabei ist der quartiersnahen Versorgung höchste Priorität zugedacht (§ 5 APG NRW).
Die Planung der Kreise und kreisfreien Städte hat übergreifende Aspekte der Teilhabe einer altengerechten Quartiersentwicklung zur Sicherung eines würdevollen, inklusiven und selbstbestimmten Lebens, bürgerschaftliches Engagement und das Gesundheitswesen einzubeziehen. Die örtlichen Planungsergebnisse sowie die Umsetzung von Maßnahmen sind durch Beschluss der Vertretungskörperschaft festzustellen, beginnend mit dem Stichtag 31.12.2015. Dieser Beschlussfassung muss zwingend eine Beratung in der Kommunalen Konferenz Alter und Pflege voraus gehen (§ 7 APG NRW).
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk erklärt aus gegebenem Anlass:
Die den Kreisen und kreisfreien Städten obliegenden Planungsaufgaben nach dem APG NRW sind danach auszurichten, dass den älteren und pflegebedürftigen Menschen möglichst wohnortnahe Angebote zur pflegerischen und sonstigen Versorgung zur Verfügung stehen sollten. Dabei müssen Auswahlmöglichkeiten bestehen.
Wenn es auch richtig erscheint, bei den hier in Rede stehenden Planungen bereits vorhandene Angebote zu berücksichtigen, darf und kann das nicht dazu führen, diesbezügliche Planzahlen als wichtigstes oder gar als alleiniges Entscheidungskriterium heranzuziehen. Würde man diesem Grundsatz folgen, wären die Auswahlmöglichkeiten der älteren und pflegebedürftigen Menschen unverhältnismäßig eingeschränkt und eine selbstbestimmte Entscheidung über die gewünschte bzw. erforderliche (stationäre) Versorgung ausgeschlossen. Im Übrigen wären die Kriterien der marktwirtschaftlichen Ordnung komplett ausgehebelt.
Daher müssen zum Beispiel neben den Bettenzahlen der bereits am Markt befindlichen stationären Pflegeeinrichtungen auch andere Erwägungen eine Rolle spielen. Die auf der Grundlage von Qualitätsprüfungen des MDK vorgestellten Berichte und Pflegenoten sollen gerade ausdrücklich dazu animieren, unter den vorhandenen Angeboten auswählen zu können. Die Pflegenoten sollen – gesetzgeberisch gewollt - bei der Heimauswahl eine maßgebliche Rolle spielen. Eine Regelung dergestalt, dass die Wahlfreiheit durch Verweis auf freie Betten bei einem Träger mit weniger guten Noten eingeschränkt wäre, ist unter keinen Umständen hinnehmbar. 2)
Bei der Heimauswahl sind unter Umständen auch weitergehende Überlegungen von Bedeutung: 3)
Werden ein gutes medizinisches Netzwerk und eine bestmögliche Arzneimittelversorgung garantiert? Gibt es ausreichend absenkbare Betten (u.U. zur Vermeidung von Fixierungen)? Was bietet die Einrichtung zu den folgenden Dienstleistungsbereichen? … Schmerzmanagement, Dekubitusprophylaxe einschließlich Wundversorgung, Inkontinenzversorgung, Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung … Steht insoweit entsprechend geschultes Personal zur Verfügung?
Können durch andere geeignete Maßnahmen freiheitsentziehende Maßnahmen (Fixierung, Psychopharmaka) ausgeschlossen werden (absenkbare Betten - siehe oben)? Gibt es eine funktionierende Palliativpflege mit entsprechend qualifiziertem Personal oder ggf. gute Zusammenarbeit mit einem ambulanten Hospizdienst? Gibt es die Möglichkeit, eine Patientenverfügung durch eine hausärztliche Notfallanordnung zu ergänzen (zur Vermeidung von unnötigen Krankenhausaufenthalten – siehe dazu das Projekt „beizeiten – begleiten“)? Erscheinen die Führungskräfte besonders geeignet und sind sie in der Lage, ihre MitarbeiterInnen trotz schlechter Pflege-Rahmenbedingungen zu motivieren und Ehrenamtler für ergänzende Hilfen einzuwerben? Wird die Einrichtung offen geführt und ist sie ggf. Teil eines altengerechten Quartiers? …
Die Träger sind nach all dem aufgefordert, bestmögliche Dienstleistungen anzubieten und zu gestalten. Dazu gehört auch, vorhandene Zweibettzimmer in Einbettangebote umzuwandeln. „Normale“ Pflegebetten können ggf. auch in Kurzzeitpflegeplätze umgewandelt werden. Auch andere ergänzende Angebotsveränderungen sind vorstellbar: Tages- oder Nachtpflegeplätze. …
Die Entscheidungen der Kreise und kreisfreien Städte für oder gegen eine weitere stationäre Pflegeeinrichtung müssen nach Auffassung von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk immer nach den maßgeblichen örtlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Daher ist es auch mit dem APG NRW unvereinbar, allein auf Planzahlen abzustellen. Auch die Regelungen des SGB XI, die auf eine pflegwissenschaftlich gründende Pflege abstellen (vgl. z.B. § 11 SGB XI) wären eingeschränkt.
Es macht daher zum Beispiel wenig Sinn, pflegebedürftige Menschen bzw. ihre Angehörigen einfach auf wohnortfern vorhandene Einrichtungen mit freien Betten verweisen zu wollen. Zu bedenken ist nämlich u.a., dass bei einer Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung immer der möglichst unkomplizierte Kontakt zu Familie, Nachbarschaft oder Freunden ermöglicht werden sollte. Dies sind ja auch Erwägungen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung und Gestaltung von altengerechten Wohnquartieren wichtig sind.
Die Kreise und kreisfreien Städte dürften unter Berücksichtigung des ausreichend vorliegenden Datenmaterials in der Lage sein, die gebotenen Entscheidungen mit eigenen Dienstkräften vorzubereiten. Soweit aber die Einschätzung einer externen Institution für erforderlich erachtet wird, müsste durch einen entsprechend formulierten Gutachterauftrag sichergestellt werden, dass neben dem Datenmaterial (Zahl der Einrichtungen, Bettenzahlen) auch andere wichtige Faktoren angemessen gewichtet werden. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk steht insoweit auch für eine Mitbeurteilung zur Verfügung.
Werner Schell
Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
1) https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_det ... g=0&menu=1
2) Hier soll unberücksichtigt bleiben, dass der bestehende Pflege-TÜV seit Jahren in der Kritik steht und durch eine bessere Regelung abgelöst gehört.
3) Siehe hierzu auch den 4. Pflege-Qualitätsbericht des MDS, vorgelegt am 14.01.2015 >>> viewtopic.php?f=4&t=20851
+++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei "Runder Tisch Demenz" (Neuss).
viewtopic.php?f=4&t=20866

Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
21.01.2015
Planung von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere und behinderte bzw. pflegebedürftige Menschen
Das Alten- und Pflegesetz Nordrhein-Westfalen - APG NRW - vom 02.10.2014 (GV. NRW - Ausgabe 2014 Nr. 29 vom 15.10.2014 1) regelt die Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und beschreibt Grundsätze zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen.
Dabei ist das Ziel die Sicherstellung einer leistungsfähigen und nachhaltigen Unterstützungsstruktur für ältere Menschen und pflegebedürftige Menschen sowie deren Angehörige durch die Förderung der Entstehung, Entwicklung und Qualität von Dienstleistungen, Beratungsangeboten, Pflegeeinrichtungen und alternativen Wohnformen. Sämtliche Maßnahmen nach diesem Gesetz sind darauf auszurichten, das Selbstbestimmungsrecht von älteren Menschen und pflegebedürftigen Menschen in jeder Lebensphase zu sichern (§ 1 APG NRW).
Ausgangspunkt für Planungen und die Gestaltung der Angebote sind die Bedarfe älterer Menschen, pflegebedürftiger Menschen und deren Angehöriger. Die Angebote sollen orts- beziehungsweise stadtteilbezogen vorgehalten und weiterentwickelt werden und den älteren oder pflegebedürftigen Menschen weitestgehend ermöglichen, an dem Ort ihrer Wahl wohnen zu können; die besonderen Bedarfe des ländlichen Raums sind zu berücksichtigen (§ 2 APG NRW).
Die Kreise und kreisfreien Städte sind nach dem APG NRW verpflichtet, eine den örtlichen Bedarfen entsprechende pflegerische Angebotsstruktur sicherzustellen, und beziehen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden ein (§ 4 APG NRW). Dabei ist der quartiersnahen Versorgung höchste Priorität zugedacht (§ 5 APG NRW).
Die Planung der Kreise und kreisfreien Städte hat übergreifende Aspekte der Teilhabe einer altengerechten Quartiersentwicklung zur Sicherung eines würdevollen, inklusiven und selbstbestimmten Lebens, bürgerschaftliches Engagement und das Gesundheitswesen einzubeziehen. Die örtlichen Planungsergebnisse sowie die Umsetzung von Maßnahmen sind durch Beschluss der Vertretungskörperschaft festzustellen, beginnend mit dem Stichtag 31.12.2015. Dieser Beschlussfassung muss zwingend eine Beratung in der Kommunalen Konferenz Alter und Pflege voraus gehen (§ 7 APG NRW).
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk erklärt aus gegebenem Anlass:
Die den Kreisen und kreisfreien Städten obliegenden Planungsaufgaben nach dem APG NRW sind danach auszurichten, dass den älteren und pflegebedürftigen Menschen möglichst wohnortnahe Angebote zur pflegerischen und sonstigen Versorgung zur Verfügung stehen sollten. Dabei müssen Auswahlmöglichkeiten bestehen.
Wenn es auch richtig erscheint, bei den hier in Rede stehenden Planungen bereits vorhandene Angebote zu berücksichtigen, darf und kann das nicht dazu führen, diesbezügliche Planzahlen als wichtigstes oder gar als alleiniges Entscheidungskriterium heranzuziehen. Würde man diesem Grundsatz folgen, wären die Auswahlmöglichkeiten der älteren und pflegebedürftigen Menschen unverhältnismäßig eingeschränkt und eine selbstbestimmte Entscheidung über die gewünschte bzw. erforderliche (stationäre) Versorgung ausgeschlossen. Im Übrigen wären die Kriterien der marktwirtschaftlichen Ordnung komplett ausgehebelt.
Daher müssen zum Beispiel neben den Bettenzahlen der bereits am Markt befindlichen stationären Pflegeeinrichtungen auch andere Erwägungen eine Rolle spielen. Die auf der Grundlage von Qualitätsprüfungen des MDK vorgestellten Berichte und Pflegenoten sollen gerade ausdrücklich dazu animieren, unter den vorhandenen Angeboten auswählen zu können. Die Pflegenoten sollen – gesetzgeberisch gewollt - bei der Heimauswahl eine maßgebliche Rolle spielen. Eine Regelung dergestalt, dass die Wahlfreiheit durch Verweis auf freie Betten bei einem Träger mit weniger guten Noten eingeschränkt wäre, ist unter keinen Umständen hinnehmbar. 2)
Bei der Heimauswahl sind unter Umständen auch weitergehende Überlegungen von Bedeutung: 3)
Werden ein gutes medizinisches Netzwerk und eine bestmögliche Arzneimittelversorgung garantiert? Gibt es ausreichend absenkbare Betten (u.U. zur Vermeidung von Fixierungen)? Was bietet die Einrichtung zu den folgenden Dienstleistungsbereichen? … Schmerzmanagement, Dekubitusprophylaxe einschließlich Wundversorgung, Inkontinenzversorgung, Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung … Steht insoweit entsprechend geschultes Personal zur Verfügung?
Können durch andere geeignete Maßnahmen freiheitsentziehende Maßnahmen (Fixierung, Psychopharmaka) ausgeschlossen werden (absenkbare Betten - siehe oben)? Gibt es eine funktionierende Palliativpflege mit entsprechend qualifiziertem Personal oder ggf. gute Zusammenarbeit mit einem ambulanten Hospizdienst? Gibt es die Möglichkeit, eine Patientenverfügung durch eine hausärztliche Notfallanordnung zu ergänzen (zur Vermeidung von unnötigen Krankenhausaufenthalten – siehe dazu das Projekt „beizeiten – begleiten“)? Erscheinen die Führungskräfte besonders geeignet und sind sie in der Lage, ihre MitarbeiterInnen trotz schlechter Pflege-Rahmenbedingungen zu motivieren und Ehrenamtler für ergänzende Hilfen einzuwerben? Wird die Einrichtung offen geführt und ist sie ggf. Teil eines altengerechten Quartiers? …
Die Träger sind nach all dem aufgefordert, bestmögliche Dienstleistungen anzubieten und zu gestalten. Dazu gehört auch, vorhandene Zweibettzimmer in Einbettangebote umzuwandeln. „Normale“ Pflegebetten können ggf. auch in Kurzzeitpflegeplätze umgewandelt werden. Auch andere ergänzende Angebotsveränderungen sind vorstellbar: Tages- oder Nachtpflegeplätze. …
Die Entscheidungen der Kreise und kreisfreien Städte für oder gegen eine weitere stationäre Pflegeeinrichtung müssen nach Auffassung von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk immer nach den maßgeblichen örtlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Daher ist es auch mit dem APG NRW unvereinbar, allein auf Planzahlen abzustellen. Auch die Regelungen des SGB XI, die auf eine pflegwissenschaftlich gründende Pflege abstellen (vgl. z.B. § 11 SGB XI) wären eingeschränkt.
Es macht daher zum Beispiel wenig Sinn, pflegebedürftige Menschen bzw. ihre Angehörigen einfach auf wohnortfern vorhandene Einrichtungen mit freien Betten verweisen zu wollen. Zu bedenken ist nämlich u.a., dass bei einer Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung immer der möglichst unkomplizierte Kontakt zu Familie, Nachbarschaft oder Freunden ermöglicht werden sollte. Dies sind ja auch Erwägungen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung und Gestaltung von altengerechten Wohnquartieren wichtig sind.
Die Kreise und kreisfreien Städte dürften unter Berücksichtigung des ausreichend vorliegenden Datenmaterials in der Lage sein, die gebotenen Entscheidungen mit eigenen Dienstkräften vorzubereiten. Soweit aber die Einschätzung einer externen Institution für erforderlich erachtet wird, müsste durch einen entsprechend formulierten Gutachterauftrag sichergestellt werden, dass neben dem Datenmaterial (Zahl der Einrichtungen, Bettenzahlen) auch andere wichtige Faktoren angemessen gewichtet werden. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk steht insoweit auch für eine Mitbeurteilung zur Verfügung.
Werner Schell
Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
1) https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_det ... g=0&menu=1
2) Hier soll unberücksichtigt bleiben, dass der bestehende Pflege-TÜV seit Jahren in der Kritik steht und durch eine bessere Regelung abgelöst gehört.
3) Siehe hierzu auch den 4. Pflege-Qualitätsbericht des MDS, vorgelegt am 14.01.2015 >>> viewtopic.php?f=4&t=20851
+++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei "Runder Tisch Demenz" (Neuss).
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Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier
Experten fordern Milliardeninvestitionen "Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier"
„Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier“, sagte Dr. Jürgen Gohde, Vorstand Kuratorium Deutsche Altershilfe, nach einem Bericht des "Tagesspiegel" vom 06.08.2013. Städte, Landkreise und Kommunen müssten bei der Vernetzung von Angeboten viel stärker in die Pflicht genommen werden. Nachbarn und Freunde müssten eingebunden, haushaltsnahe Dienstleistungen bezahlbar gemacht, ein flächendeckendes Beratungsangebot geschaffen werden. Nötig sei hier „ein Investitionsprogramm großen Ausmaßes“ – vergleichbar mit dem, was derzeit gestemmt werde für die Betreuung von Kindern, betonte der Experte
Quelle: viewtopic.php?f=4&t=19268
„Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier“, sagte Dr. Jürgen Gohde, Vorstand Kuratorium Deutsche Altershilfe, nach einem Bericht des "Tagesspiegel" vom 06.08.2013. Städte, Landkreise und Kommunen müssten bei der Vernetzung von Angeboten viel stärker in die Pflicht genommen werden. Nachbarn und Freunde müssten eingebunden, haushaltsnahe Dienstleistungen bezahlbar gemacht, ein flächendeckendes Beratungsangebot geschaffen werden. Nötig sei hier „ein Investitionsprogramm großen Ausmaßes“ – vergleichbar mit dem, was derzeit gestemmt werde für die Betreuung von Kindern, betonte der Experte
Quelle: viewtopic.php?f=4&t=19268