Weihnachtsgeschenk - 3,8 Liter-Turbowindel!

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Elfriede_Kehrer
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Weihnachtsgeschenk - 3,8 Liter-Turbowindel!

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 21.12.2004, 12:44

Aachen / München / Wuppertal und sonstwo (kobinet) Welche Geschenke dürfen es in diesem Jahr denn sein? fragt sich Rocky. Manch Krankenkasse weiß die Antwort.

Handys, MP3-Player, Computer und ähnliches stehen ganz oben auf dem Wunschzettel der meisten Jugendlichen. Ob es tatsächlich stets das neueste Handymodell sein muss und ob es nicht «einfache» Klingeltöne tun; darüber lässt sich gar trefflich streiten. Während Eltern nicht behinderter Kinder darüber grübeln, welche Marke das gewünschte elektronische «Muss» unter dem Weihnachtsbaum haben soll, müssen sich die Eltern behinderter Kinder nicht mit solchen Fragen quälen.

Zumindest nicht, wenn es nach dem Willen mancher Krankenversicherung oder -kasse geht: Helga Simon (aus Angst vor ihrer Krankenkasse bat sie, ihren richtigen Namen nicht zu nennen) hat einen 15-jährigen Sohn. Der benutzt wegen seiner Behinderung einen Rollstuhl. Und wer im Rollstuhl sitzt weiß wie kalt das im Winter trotz entsprechender Kleidung ist. Damit ihr Sohn nicht unnötig friert, hat Frau Simon bei ihrer privaten Krankenversicherung die Kostenübernahme für einen so genannten Schlupfsack beantragt. Die wurde ihr verweigert. Doch der Sachbearbeiter hatte die Lösung gleich parat: «Es ist doch bald Weihnachten. Da ist doch der Schlupfsack ein tolles Geschenk». Wenn andere Eltern also überlegen, ob es ein Handy mit oder ohne Sonderfunktionen sein soll, kann sich Helga Simon Gedanken darüber machen, ob der Schlupfsack mit Webpelz reicht, oder ob eine Echtfell-Fütterung wohl doch besser wärmt.

Eine andere - in diesem Fall gesetzlich - Versicherte, die auch nicht namentlich genannt werden möchte, beantragte ebenfalls einen Schlupfsack. Der wurde ihr zunächst abgelehnt mit der Begründung, andere Menschen müssten sich im Winter auch entsprechend warm ankleiden. Ein Schlupfsack zähle daher zu den Gegenständen des alltäglichen Bedarfes und müsse deshalb selbst bezahlt werden (was nicht stimmt, denn die Krankenassen müssen bis zum einem Festbetrag von 135 Euro leisten). Die Widerspruchsbegründung der rollstuhlbenutzenden Frau hat letztendlich überzeugt; die Krankenkasse bezahlte. Sie hatte argumentiert, sie säße schließlich nicht nackt im Schlupfsack sondern warm bekleidet wäre wie Fußgänger auch. Der Schlupfsack kompensiere lediglich die Folgen ihrer Bewegungsunfähigkeit. Und sie habe noch nie einen Fußgänger mit Schlupfsack herumhüpfen sehen.

Der Vorschlag des Krankenkassensachbearbeiters ist ausbaufähig. So macht es doch Sinn, der inkontinenten alten Dame unter dem Weihnachtsbaum statt einen neuen Schal eine 3,8-Liter-Turbowindel zu legen. Und die Industrie ist gefragt Geschenkpackungen zu entwickeln, damit Kathetersets und Abführzäpfchen würdig und feierlich präsentiert werden können.

Legt Helga Simon keinen Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ihrer Krankenkasse ein und folgen andere diesem Beispiel, freuen sich alle: die Krankenversicherungen und -kassen, weil sie sparen und die Versicherten, weil die Beiträge stabil bleiben, wenn Leistungen nicht mehr finanziert werden. Nur Helga Simons Sohn würde sich nicht freuen, der wünscht sich nämlich sein erstes Handy.

Helga Simon ist jedoch kampferprobt. Das hat sie in den 15 Jahren, seit sie Mutter eines behinderten Kindes ist, zwangsläufig lernen müssen. Daher wird ihre Krankenkasse in den kommenden Tagen Post von ihr erhalten. Und das wird keine Grußkarte sein, mit der sie Fröhliche Weihnachten wünscht.
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

Gast

Menschenverachtend !

Beitrag von Gast » 21.12.2004, 19:11

... So macht es doch Sinn, der inkontinenten alten Dame unter dem Weihnachtsbaum statt einen neuen Schal eine 3,8-Liter-Turbowindel zu legen. Und die Industrie ist gefragt Geschenkpackungen zu entwickeln, damit Kathetersets und Abführzäpfchen würdig und feierlich präsentiert werden können. ....
Hallo Elfriede,

ich hatte bisher schon von einer 2 Liter-Turbo-Windel gehört. Die reicht schon für etwa 2 Tage. Und jetzt sogar ein 3,8, Liter Format? Das ist ja ungeheuerlich! Können wir nicht Behinderte und Pflegebedürfte gleich für Wochen oder Monate einfrieren?
Ein Herr Daschner wird wegen angeblichen Verstosses gegen die Menschenwürde vor Gericht gezerrt, obwohl er Leben retten wollte. Die Turbowindel kann aber ungestraft entwickelt und eingesetzt werden. Ich bin entsetzt!

MfG
Rosemarie

Knut_Sempler

"Artgerechte Haltung" Pflegebedürftiger

Beitrag von Knut_Sempler » 23.12.2004, 13:27

Siehe in dieser Homepage, u.a. Rechtsalmanach – Heimrecht, die Darstellung
----- Richtlinien zur „artgerechten Haltung" von pflegebedürftigen Menschen
unter
http://www.gesetzeskunde.de/Rechtsalman ... erecht.htm
Siehe auch unter
http://www.gesetzeskunde.de/Medizin-Inf ... 240603.pdf

Siehe auch eine Darstellung zum „Tabuthema Pflegemängel“
unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... tart=10#10

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