Leistungspflicht für einen Lagerungsrollstuhl

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Antworten
Gast

Leistungspflicht für einen Lagerungsrollstuhl

Beitrag von Gast » 20.07.2005, 11:15

Leistungspflicht für einen Lagerungsrollstuhl - Az: B 3 KR 5/03 R vom 22.07.2004

Kurzinformation:
Streitig war im vorliegenden Fall die Versorgung der Klägerin mit einem Faltrollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne und Fußstützen (Lagerungsrollstuhl) sowie mit einer Fixationsweste für den Oberkörper auf Kosten der beklagten Krankenkasse. Die 1912 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an fortgeschrittener Alzheimer-Demenz und an Beugekontrakturen aller Extremitäten, lebt in einem Pflegeheim und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III als Härtefall. Während des Klageverfahrens ist die Klägerin im Juli 2001 durch ein örtliches Sanitätshaus auf eigene Rechnung mit einem sog Multifunktionsrollstuhl versorgt worden.

Das Sozialgericht (SG) hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 2002). Auf die Berufung der Klägerin hatte das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Krankenkasse verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Versorgung mit dem Rollstuhl in Höhe von 2.351,25 EUR freizustellen(Urteil vom 26. Februar 2003).
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht mit dem vorliegenden Urteil das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 2003 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Januar 2002 zurückgewiesen.

Zur Begründung (hier Auszug):
"Zu Unrecht hat es das LSG für den geltend gemachten Leistungsanspruch als irrelevant angesehen, ob sich die Klägerin noch aktiv am Gemeinschaftsleben beteiligen kann oder nicht. Es geht vorliegend nicht darum, über die (selbstverständliche) Berechtigung der Klägerin auf ein Zusammensein mit anderen und die - passive - Teilhabe am Gemein-schaftsleben zu befinden, sondern allein um die Frage, wer den dafür erforderlichen Lagerungsrollstuhl mit Fixationsweste zu finanzieren hat. Die vom Senat grundsätzlich getroffene Abgrenzung, ob das Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich dient (dann Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung) oder aber die Pflege den Schwerpunkt bildet (dann Vorhaltepflicht des Heimträgers), ist sach- und systemgerecht, wie sich insbesondere auch aus der Vorschrift des § 28 Abs 4 SGB XI erschließt. Danach soll die Pflege auch die Aktivierung der Pflegebedürftigen zum Ziel haben, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und, soweit dies möglich ist, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen (Satz 1). Um der Gefahr der Vereinsamung der Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, sollen bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden (Satz 2). Diese sog. aktivierende Pflege ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Pflegeversicherung, ( . . . )."
--------------
Zur ausführlichen Urteilsbegründung und Argumentation siehe Volltext !
-----------------
Textquelle: Bundessozialgericht (BSG)
veröffentlicht vom BSG und hier eingestellt am 06.10.2004 - MDS/ko
http://infomed.mds-ev.de/sindbad.nsf/0/ ... enDocument

B 3 KR 5/03 R - Sch. ./. BEK

Die 1912 geborene, in einem Pflegeheim lebende Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Kostenübernahme für einen Lagerungsrollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne, Fußstützen und Fixationsweste für den Oberkörper. Sie leidet unter fortgeschrittener Alzheimer-Demenz und Kontrakturen aller Gliedmaßen. Eigene Wünsche kann sie nicht mehr äußern und auch nicht mehr aktiv am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Das Pflegeheim hält pflegerisch für erforderlich, dass die Klägerin regelmäßig mobilisiert wird und auch passiv an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnimmt. Dafür benötige sie einen verstellbaren Rollstuhl, der ein Herausfallen verhindere.

Die Beklagte lehnte die Leistung ab und verwies auf die Zuständigkeit des Heimträgers für die erforderliche Heimausstattung. Das SG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte zur Leistung verurteilt. Der Lagerungsrollstuhl diene wesentlich zur Befriedigung von Grundbedürfnissen der Klägerin, auch wenn sie nicht mehr aktiv am Gemeinschaftsleben teilnehme. Es sei nicht gerechtfertigt, die Leistungspflicht der Krankenkasse bei Rollstühlen auf solche Versicherte zur beschränken, die ihre Wege und Wünsche noch selbst bestimmen können, und stärker Behinderte damit auszugrenzen.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie geltend macht, dass ein Behinderungsausgleich nicht mehr stattfinde, die Pflege vielmehr ganz im Vordergrund stehe. Damit entfalle ihre Leistungspflicht.

SG Duisburg - S 7 (9) KR 91/00 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 33/02 -

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 22. Juli 2004 wie folgt:
Auf die Revision des Beklagten wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt. Die Krankenkasse ist nicht zur Leistung verpflichtet, weil der Rollstuhl zum Ausgleich der verlorenen Geh- und Sitzfähigkeit nur noch von untergeordneter Bedeutung ist und die Pflege ganz im Vordergrund steht. Zur Pflege gehören auch aktivierende Maßnahmen, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und der Gefahr einer Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken. Dafür ist die Krankenkasse als Rehabilitationsträger nicht mehr zuständig.

SG Duisburg - S 7 (9) KR 91/00 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 33/02 - - B 3 KR 5/03 R -

Vollständiger Text des Urteils unter
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... =19&anz=41

Antworten