Sterbehilfe zunehmend nicht nur für tödlich Kranke
Suizidbeihilfe durch die Organisationen Exit Deutsche Schweiz und Dignitas
Fast doppelt so viele Frauen wie Männer lassen sich von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz (Stadtzürcher Fälle) und Dignitas in den Tod begleiten. Zu diesem Schluss kommt ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsprojekt, das erstmals die Praktiken der beiden Organisationen untersucht und miteinander vergleicht. Die Studie* zeigt auch, dass immer mehr nicht an einer tödlichen Krankheit leidende Menschen von Exit Suizidbeihilfe in Anspruch nehmen.
Forschende der Universität Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben die Fälle von Suizidbeihilfe untersucht, die zwischen 2001 und 2004 vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich abgeklärt wurden; jede Suizidbeihilfe ist meldungspflichtig und wird durch die Untersuchungsbehörden geprüft. Die Studie umfasst fast alle Fälle der Sterbehilfeorganisation Dignitas sowie die Stadtzürcher Fälle von Exit Deutsche Schweiz, also circa ein Drittel derer Fälle. Die Forschenden erhoben Geschlecht, Alter, Zivilstand, Nationalität, medizinische Diagnose, Krankheitstypen und anderes.
Die Studie untersucht 274 Menschen, die von Dignitas, und 147 Menschen, die von Exit in den Tod begleitet wurden (zwischen 2001 und 2004). Zusätzlich verglichen die Forschenden die Daten mit einer Studie, die alle 149 Fälle von Suizidbeihilfe der Organisation Exit von 1990 bis 2000 in der Stadt Zürich untersucht hatte. "Bislang wurde die öffentliche Diskussion um die Sterbehilfe überwiegend emotional geführt. Mit unserer Studie erfassen wir diese Praxis wissenschaftlich aus unabhängiger Warte. Wir versuchen, damit einen Beitrag zur Versachlichung des Themas zu leisten", sagt der Arzt und Medizinethiker Georg Bosshard, der die Studie leitete.
Lebensmüdigkeit gewinnt an Bedeutung
Der Vergleich zeigt deutliche Unterschiede zwischen Dignitas und Exit auf: Während Exit bei den untersuchten Fällen nur ausnahmsweise Suizidbeihilfe bei Ausländern leistet (2001 bis 2004: 3 Prozent), stammen bei Dignitas 91 Prozent aller in den Tod begleiteten Menschen aus dem Ausland. Das Durchschnittsalter liegt bei Dignitas mit 65 Jahren deutlich unter jenem bei Exit (77 Jahre). "Dieser Unterschied könnte daher rühren, dass Sterbewillige aus dem Ausland genügend fit sein müssen, um in die Schweiz zu reisen", erklärt Bosshard. Grösser war bei Dignitas der Anteil von Menschen mit einer tödlichen Krankheit: 79 Prozent der Dignitas-Patienten litten an unheilbaren Krankheiten; dazu zählten die Forschenden zum Beispiel Krebs, multiple Sklerose und amyotrophe Lateralsklerose. Bei Exit betrug der Anteil zwischen 2001 und 2004 67 Prozent.
Die übrigen Patienten litten nicht an einer tödlichen Krankheit. "Meist waren das alte Menschen mit mehreren diagnostizierten Krankheiten, zum Beispiel rheumatische Beschwerden oder Schmerzsyndrome", sagt die Soziologin Susanne Fischer, die Erstautorin der Studie. Der Vergleich mit den Stadtzürcher Daten von Exit aus den neunziger Jahren zeigt, dass diese Personengruppe deutlich grösser geworden ist. Von 1990 bis 2000 verzeichnete Exit 22 Prozent Sterbewillige, die nicht an einer tödlichen Krankheit litten. Zwischen 2001 und 2004 machten diese ein Drittel aller Fälle aus. Im gleichen Zeitraum stieg bei Exit auch das Durchschnittsalter von 69 auf 77 Jahre. "Lebensmüdigkeit und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand haben also bei älteren Menschen aus der Schweiz an Bedeutung gewonnen als Motiv dafür, Suizidbeihilfe zu suchen", sagt Fischer. Der Grund für den Anstieg sei wahrscheinlich, dass die Sterbehilfeorganisation Exit aufgrund der grossen Nachfrage ihre Praxis lockerte. Exit habe in den neunziger Jahren angekündigt, sich für alte, lebensmüde Menschen öffnen zu wollen.
Dass es immer wieder über 80-jährige, nicht todkranke Menschen gibt, die den Wunsch nach Suizidbeihilfe äussern, wisse man aus Studien in den Niederlanden, sagt Fischer. Dort ist die Suizidbeihilfe allerdings völlig in Ärztehand - und die holländischen Ärzte kommen solchen Sterbewünschen kaum je nach, weil es ihrer Berufsethik widerspricht, jemandem sterben zu helfen, der keine tödliche Krankheit hat. "Im Unterschied dazu scheint man in unserem System, wo Sterbehilfeorganisationen eine wichtige Rolle spielen, eher bereit, Suizidbeihilfe auch für nicht todkranke alte Menschen zuzulassen", sagt Fischer.
Deutlicher Geschlechterunterschied
Die Ergebnisse fördern auch einen deutlichen Geschlechterunterschied zu Tage: Bei beiden Sterbehilfeorganisationen nahmen in den letzten Jahren deutlich mehr Frauen als Männer die Suizidbeihilfe in Anspruch (Dignitas: 64 Prozent; Exit: 65 Prozent). In den neunziger Jahren war die Verteilung bei Exit mit einem Frauenanteil von 52 Prozent noch ausgeglichen. "Die Analyse der Gründe ist noch nicht abgeschlossen", sagt der Pflegewissenschaftler Lorenz Imhof. Die Forschenden vermuten, dass ein Faktor die höhere Lebenserwartung von Frauen ist: Sehr alte Menschen haben oft mit dem Leben abgeschlossen. Aus Suizidstatistiken ist auch bekannt, dass sich Männer häufiger selber umbringen - lebensmüde Frauen hingegen könnten sich eher an eine Sterbehilfeorganisation wenden.
Die auch von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) unterstützte Studie dokumentiert auch, dass sowohl Dignitas als auch Exit in einzelnen Fällen bei psychisch Kranken Suizidbeihilfe geleistet haben. Dies gilt unter Experten als umstritten, zumal nur urteilsfähigen Personen Beihilfe geleistet werden darf. "In seinem Bericht muss der abklärende Arzt deshalb Stellung nehmen zur Frage der Urteilsfähigkeit", erklärt Georg Bosshard. Bei den vorliegenden Fällen hätten offenbar auch die Untersuchungsbehörden die Sterbehilfe als rechtmässig beurteilt. Ihm seien jedenfalls keine Strafverfahren bekannt.
Kontakt:
PD Dr. Georg Bosshard
Leitender Arzt für Klinische Ethik
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich
Tel: 044 255 93 91
E-mail: georg.bosshard@usz.ch
* S. Fischer, C.A. Huber, L. Imhof, R. Mahrer Imhof, M. Furter, S.J. Ziegler, G. Bosshard. Suicide assisted by two Swiss right-to-die organisations. Jour-nal of Medical Ethics 2008.
Begriffsdefinition und Rechtslage
Unter Suizidbeihilfe versteht man die Bereitstellung oder Verschreibung eines tödlichen Medikamentes, das einer Person die Selbsttötung ermöglicht.
In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid, solange diese nicht aus selbstsüchtigen Beweggründen erfolgt (Art. 115 StGB), nicht strafbar. Gemäss geltender Praxis darf Beihilfe nur urteilsfähigen Personen geleistet werden. Das Strafgesetz schreibt aber keine medizinischen Bedingungen vor. Demgegenüber erlauben die - gesetzlich nicht bindenden - Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) die ärztliche Beteiligung an der Beihilfe zum Suizid nur bei Patienten am Lebensende.
Weitere Informationen:
http://www.snf.ch > Medien > Medienkonferenzen
Quelle: Pressemitteilung vom 4.11.2008
Presse- und Informationsdienst SNF, Presse- und Informationsdienst
Schweizerischer Nationalfonds SNF
URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news286710
Sterbehilfe zunehmend nicht nur für tödlich Kranke
Moderator: WernerSchell
Immer mehr nicht tödlich Kranke nutzen Angebote
Sterbehilfe: Immer mehr nicht tödlich Kranke nutzen Angebote
Dienstag, 4. November 2008
Zürich – Viele Menschen, die das Angebot zur Sterbehilfe in Anspruch nehmen, sind nicht tödlich krank. Das berichtet eine Arbeitsgruppe der Universität Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Dabei lassen sich nach einem am Dienstag in Zürich veröffentlichten Forschungsbericht fast doppelt so viele Frauen wie Männer von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz und Dignitas in den Tod begleiten. ....
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http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34257
Dienstag, 4. November 2008
Zürich – Viele Menschen, die das Angebot zur Sterbehilfe in Anspruch nehmen, sind nicht tödlich krank. Das berichtet eine Arbeitsgruppe der Universität Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Dabei lassen sich nach einem am Dienstag in Zürich veröffentlichten Forschungsbericht fast doppelt so viele Frauen wie Männer von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz und Dignitas in den Tod begleiten. ....
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http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34257
Sterbehilfe zunehmend für nicht-tödlich Kranke
Schweizer Studie zeigt:
Sterbehilfe zunehmend fuer nicht-toedlich Kranke
Zuerich (ALfA). In der Schweiz nehmen immer mehr Menschen, die nicht an einer toedlichen Krankheit leiden, Suizidbeihilfe von Exit in Anspruch. Zudem lassen sich fast doppelt so viele Frauen wie Maenner von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz (Stadtzuercher Faelle) und Dignitas in den Tod begleiten. Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstuetzte Studie, die erstmals die Praktiken der beiden Organisationen untersucht und miteinander verglichen hat. Die Studie wurde juengst im "Journal of Medical Ethics" veroeffentlicht und umfasst demnach fast alle Faelle der Sterbehilfeorganisation Dignitas sowie die Stadtzuercher Faelle von Exit Deutsche Schweiz, also circa ein Drittel derer Faelle. Grundlage fuer die Studie von Forschern der Universitaet Zuerich und der Zuercher Hochschule fuer Angewandte Wissenschaften (ZHAW) waren Untersuchungen zu 274 Faellen von Suizidbeihilfe durch Dignitas, bzw. 147 Faellen von Suizidbeihilfe durch Exit, die zwischen 2001 und 2004 vom Institut fuer Rechtsmedizin der Universitaet Zuerich abgeklaert wurden. Zusaetzlich verglichen die Forscher die Daten mit einer Studie, die alle 149 Faelle von Suizidbeihilfe von Exit von 1990 bis 2000 in der Stadt Zuerich untersucht hatte.
Jede Suizidbeihilfe ist meldungspflichtig und wird durch die Untersuchungsbehoerden geprueft. Unter Suizidbeihilfe versteht man die Bereitstellung oder Verschreibung eines toedlichen Medikamentes, das einer Person die Selbsttoetung ermoeglicht. In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid, solange diese nicht aus selbstsuechtigen Beweggruenden erfolgt (Art. 115 StGB), nicht strafbar und darf gemaess geltender Praxis nur urteilsfaehigen Personen geleistet werden. Das Schweizer Strafgesetz schreibt aber keine medizinischen Bedingungen vor. Demgegenueber erlauben die - gesetzlich nicht bindenden - Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) die aerztliche Beteiligung an der Beihilfe zum Suizid nur bei Patienten am Lebensende.
Die Forscher erhoben fuer ihre Arbeit u.a. Geschlecht, Alter, Zivilstand, Nationalitaet, medizinische Diagnose und Krankheitstypen von den Verstorbenen. Der Vergleich habe demnach deutliche Unterschiede zwischen Dignitas und Exit aufgezeigt. Waehrend Exit bei den untersuchten Faellen von 2001 bis 2004 mit einem Anteil von drei Prozent nur ausnahmsweise Suizidbeihilfe bei Auslaendern leistete, stammten bei Dignitas 91 Prozent aller in den Tod begleiteten Menschen aus dem Ausland. Dabei lag das Durchschnittsalter der Studie zufolge bei Dignitas mit 65 Jahren deutlich unter jenem bei Exit mit 77 Jahren. "Dieser Unterschied koennte daher ruehren, dass Sterbewillige aus dem Ausland genuegend fit sein muessen, um in die Schweiz zu reisen", erklaerte der Arzt und Medizinethiker Georg Bosshard, der die Studie leitete, in einer Presseaussendung der Schweizerischen Nationalfonds vom 4. November. Groesser war demnach bei Dignitas der Anteil von Menschen mit einer toedlichen Krankheit: 79 Prozent der Dignitas-Patienten litten an unheilbaren Krankheiten. Dazu zaehlten die Forscher zum Beispiel Krebs, multiple Sklerose und amyotrophe Lateralsklerose. Bei Exit habe der Anteil zwischen 2001 und 2004 dagegen nur 67 Prozent betragen.
Die uebrigen Patienten litten nicht an einer toedlichen Krankheit. "Meist waren das alte Menschen mit mehreren diagnostizierten Krankheiten, zum Beispiel rheumatische Beschwerden oder Schmerzsyndrome", sagte die Soziologin Susanne Fischer, die Erstautorin der Studie. Der Vergleich mit den Stadtzuercher Daten von Exit aus den neunziger Jahren zeige, dass diese Personengruppe deutlich groesser geworden sei. Von 1990 bis 2000 verzeichnete Exit 22 Prozent Sterbewillige, die nicht an einer toedlichen Krankheit litten. Zwischen 2001 und 2004 machten diese ein Drittel aller Faelle aus. Im gleichen Zeitraum sei bei Exit auch das Durchschnittsalter von 69 auf 77 Jahre gestiegen. "Lebensmuedigkeit und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand haben also bei aelteren Menschen aus der Schweiz an Bedeutung gewonnen als Motiv dafuer, Suizidbeihilfe zu suchen", sagte Fischer. Der Grund fuer den Anstieg sei wahrscheinlich, dass die Sterbehilfeorganisation Exit aufgrund der grossen Nachfrage ihre Praxis gelockert habe. Exit habe in den neunziger Jahren angekuendigt, sich fuer alte, lebensmuede Menschen oeffnen zu wollen. Die auch von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) unterstuetzte Studie dokumentierte des weiteren, dass sowohl Dignitas als auch Exit in einzelnen Faellen bei psychisch Kranken Suizidbeihilfe geleistet haben. Dies gelte unter Experten als umstritten, zumal nur urteilsfaehigen Personen Beihilfe geleistet werden darf. "In seinem Bericht muss der abklaerende Arzt deshalb Stellung nehmen zur Frage der Urteilsfaehigkeit", erklaerte Bosshard. Bei den vorliegenden Faellen haetten offenbar auch die Untersuchungsbehoerden die Sterbehilfe als rechtmaessig beurteilt. Ihm seien jedenfalls keine Strafverfahren bekannt.
Die Untersuchung habe zudem gezeigt, dass bei beiden Organisationen in den letzten Jahren deutlich mehr Frauen als Maenner Sterbehilfe in Anspruch nahmen. 2001 bis 2004 waren 64 Prozent der Dignitas-Patienten Frauen, bei Exit betrug der Anteil 65 Prozent. In den neunziger Jahren sei die Verteilung bei Exit mit einem Frauenanteil von 52 Prozent noch ausgeglichen gewesen. "Die Analyse der Gruende ist noch nicht abgeschlossen", sagte der Pflegewissenschaftler Lorenz Imhof. Die Forscher vermuten, dass ein Faktor die hoehere Lebenserwartung von Frauen ist. Sehr alte Menschen haetten oft mit dem Leben abgeschlossen. Aus Suizidstatistiken sei auch bekannt, dass sich Maenner haeufiger selber umbringen, lebensmuede Frauen hingegen koennten sich eher an eine Sterbehilfeorganisation wenden.
Exit relativierte unterdessen in einer Pressemitteilung vom 4. November die Ergebnisse der Studie. Betrachte man die ganze Schweiz, steige die Zahl der von Exit in den Tod begleiteten Patienten ohne toedliche Erkrankung nicht an. Denn die Forscher haetten nur Faelle aus Zuerich untersucht, daher seien die Ergebnisse fuer die Schweiz nicht repraesentativ. Auch seien in der Studie teilweise falsche Schlussfolgerungen gezogen worden.
Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V. ALfA-Newsletter 43/08 vom 08.11.2008 (Auszug)
Sterbehilfe zunehmend fuer nicht-toedlich Kranke
Zuerich (ALfA). In der Schweiz nehmen immer mehr Menschen, die nicht an einer toedlichen Krankheit leiden, Suizidbeihilfe von Exit in Anspruch. Zudem lassen sich fast doppelt so viele Frauen wie Maenner von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz (Stadtzuercher Faelle) und Dignitas in den Tod begleiten. Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstuetzte Studie, die erstmals die Praktiken der beiden Organisationen untersucht und miteinander verglichen hat. Die Studie wurde juengst im "Journal of Medical Ethics" veroeffentlicht und umfasst demnach fast alle Faelle der Sterbehilfeorganisation Dignitas sowie die Stadtzuercher Faelle von Exit Deutsche Schweiz, also circa ein Drittel derer Faelle. Grundlage fuer die Studie von Forschern der Universitaet Zuerich und der Zuercher Hochschule fuer Angewandte Wissenschaften (ZHAW) waren Untersuchungen zu 274 Faellen von Suizidbeihilfe durch Dignitas, bzw. 147 Faellen von Suizidbeihilfe durch Exit, die zwischen 2001 und 2004 vom Institut fuer Rechtsmedizin der Universitaet Zuerich abgeklaert wurden. Zusaetzlich verglichen die Forscher die Daten mit einer Studie, die alle 149 Faelle von Suizidbeihilfe von Exit von 1990 bis 2000 in der Stadt Zuerich untersucht hatte.
Jede Suizidbeihilfe ist meldungspflichtig und wird durch die Untersuchungsbehoerden geprueft. Unter Suizidbeihilfe versteht man die Bereitstellung oder Verschreibung eines toedlichen Medikamentes, das einer Person die Selbsttoetung ermoeglicht. In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid, solange diese nicht aus selbstsuechtigen Beweggruenden erfolgt (Art. 115 StGB), nicht strafbar und darf gemaess geltender Praxis nur urteilsfaehigen Personen geleistet werden. Das Schweizer Strafgesetz schreibt aber keine medizinischen Bedingungen vor. Demgegenueber erlauben die - gesetzlich nicht bindenden - Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) die aerztliche Beteiligung an der Beihilfe zum Suizid nur bei Patienten am Lebensende.
Die Forscher erhoben fuer ihre Arbeit u.a. Geschlecht, Alter, Zivilstand, Nationalitaet, medizinische Diagnose und Krankheitstypen von den Verstorbenen. Der Vergleich habe demnach deutliche Unterschiede zwischen Dignitas und Exit aufgezeigt. Waehrend Exit bei den untersuchten Faellen von 2001 bis 2004 mit einem Anteil von drei Prozent nur ausnahmsweise Suizidbeihilfe bei Auslaendern leistete, stammten bei Dignitas 91 Prozent aller in den Tod begleiteten Menschen aus dem Ausland. Dabei lag das Durchschnittsalter der Studie zufolge bei Dignitas mit 65 Jahren deutlich unter jenem bei Exit mit 77 Jahren. "Dieser Unterschied koennte daher ruehren, dass Sterbewillige aus dem Ausland genuegend fit sein muessen, um in die Schweiz zu reisen", erklaerte der Arzt und Medizinethiker Georg Bosshard, der die Studie leitete, in einer Presseaussendung der Schweizerischen Nationalfonds vom 4. November. Groesser war demnach bei Dignitas der Anteil von Menschen mit einer toedlichen Krankheit: 79 Prozent der Dignitas-Patienten litten an unheilbaren Krankheiten. Dazu zaehlten die Forscher zum Beispiel Krebs, multiple Sklerose und amyotrophe Lateralsklerose. Bei Exit habe der Anteil zwischen 2001 und 2004 dagegen nur 67 Prozent betragen.
Die uebrigen Patienten litten nicht an einer toedlichen Krankheit. "Meist waren das alte Menschen mit mehreren diagnostizierten Krankheiten, zum Beispiel rheumatische Beschwerden oder Schmerzsyndrome", sagte die Soziologin Susanne Fischer, die Erstautorin der Studie. Der Vergleich mit den Stadtzuercher Daten von Exit aus den neunziger Jahren zeige, dass diese Personengruppe deutlich groesser geworden sei. Von 1990 bis 2000 verzeichnete Exit 22 Prozent Sterbewillige, die nicht an einer toedlichen Krankheit litten. Zwischen 2001 und 2004 machten diese ein Drittel aller Faelle aus. Im gleichen Zeitraum sei bei Exit auch das Durchschnittsalter von 69 auf 77 Jahre gestiegen. "Lebensmuedigkeit und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand haben also bei aelteren Menschen aus der Schweiz an Bedeutung gewonnen als Motiv dafuer, Suizidbeihilfe zu suchen", sagte Fischer. Der Grund fuer den Anstieg sei wahrscheinlich, dass die Sterbehilfeorganisation Exit aufgrund der grossen Nachfrage ihre Praxis gelockert habe. Exit habe in den neunziger Jahren angekuendigt, sich fuer alte, lebensmuede Menschen oeffnen zu wollen. Die auch von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) unterstuetzte Studie dokumentierte des weiteren, dass sowohl Dignitas als auch Exit in einzelnen Faellen bei psychisch Kranken Suizidbeihilfe geleistet haben. Dies gelte unter Experten als umstritten, zumal nur urteilsfaehigen Personen Beihilfe geleistet werden darf. "In seinem Bericht muss der abklaerende Arzt deshalb Stellung nehmen zur Frage der Urteilsfaehigkeit", erklaerte Bosshard. Bei den vorliegenden Faellen haetten offenbar auch die Untersuchungsbehoerden die Sterbehilfe als rechtmaessig beurteilt. Ihm seien jedenfalls keine Strafverfahren bekannt.
Die Untersuchung habe zudem gezeigt, dass bei beiden Organisationen in den letzten Jahren deutlich mehr Frauen als Maenner Sterbehilfe in Anspruch nahmen. 2001 bis 2004 waren 64 Prozent der Dignitas-Patienten Frauen, bei Exit betrug der Anteil 65 Prozent. In den neunziger Jahren sei die Verteilung bei Exit mit einem Frauenanteil von 52 Prozent noch ausgeglichen gewesen. "Die Analyse der Gruende ist noch nicht abgeschlossen", sagte der Pflegewissenschaftler Lorenz Imhof. Die Forscher vermuten, dass ein Faktor die hoehere Lebenserwartung von Frauen ist. Sehr alte Menschen haetten oft mit dem Leben abgeschlossen. Aus Suizidstatistiken sei auch bekannt, dass sich Maenner haeufiger selber umbringen, lebensmuede Frauen hingegen koennten sich eher an eine Sterbehilfeorganisation wenden.
Exit relativierte unterdessen in einer Pressemitteilung vom 4. November die Ergebnisse der Studie. Betrachte man die ganze Schweiz, steige die Zahl der von Exit in den Tod begleiteten Patienten ohne toedliche Erkrankung nicht an. Denn die Forscher haetten nur Faelle aus Zuerich untersucht, daher seien die Ergebnisse fuer die Schweiz nicht repraesentativ. Auch seien in der Studie teilweise falsche Schlussfolgerungen gezogen worden.
Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V. ALfA-Newsletter 43/08 vom 08.11.2008 (Auszug)
Sterbehilfe zunehmend auch für Lebensmüde
Schweiz:
Sterbehilfe zunehmend auch für Lebensmüde
In der Schweiz nehmen immer mehr nicht an einer tödlichen Krankheit leidende Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch. Dabei lassen sich nach einem am Dienstag in Zürich veröffentlichten Forschungsbericht fast doppelt so viele Frauen wie Männer von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz und Dignitas in den Tod begleiten. Mehr zum Thema unter:
http://www.1000fragen.de/projekt/aktuel ... d=812&pn=0
Quelle: Mitteilung der Aktion Mensch, 09. November 2008
Sterbehilfe zunehmend auch für Lebensmüde
In der Schweiz nehmen immer mehr nicht an einer tödlichen Krankheit leidende Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch. Dabei lassen sich nach einem am Dienstag in Zürich veröffentlichten Forschungsbericht fast doppelt so viele Frauen wie Männer von den Sterbehilfeorganisationen Exit Deutsche Schweiz und Dignitas in den Tod begleiten. Mehr zum Thema unter:
http://www.1000fragen.de/projekt/aktuel ... d=812&pn=0
Quelle: Mitteilung der Aktion Mensch, 09. November 2008