Anbringen eines Sendearmbands - FEM ?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Anbringen eines Sendearmbands - FEM ?

Beitrag von WernerSchell » 23.06.2016, 06:45

AG Garmisch-Partenkirchen:
Sendearmband, das beim Verlassen der Einrichtung Signal gibt, ist feM, wenn Bewohner ausnahmslos von der Fortsetzung seines Ausflugs abgehalten werden soll. Allein das Anbringen eines Sendearmbands, das beim Verlassen der Einrichtung Signal gibt, erlaubt noch keine rechtliche Beurteilung als freiheitsentziehende Maßnahme, entscheidend ist vielmehr, welche mit dem Betreuer abgesprochene Reaktion darauf erfolgt.
Auch wenn die Planung darauf hinausläuft, dass der Bewohner nur durch Überredung dazu gebracht werden soll, umzukehren und in die Einrichtung zurückzukehren, handelt es sich um eine genehmigungsbedürftige Maßnahme, wenn klar ist, dass der Bewohner in jedem Fall von der Fortsetzung seines Ausflugs abgehalten werden soll.


Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 25.05.2016, A XVII 398/13

Link zur Entscheidung
> http://werdenfelser-weg-original.de/amt ... vii-39813/

Quelle: http://werdenfelser-weg-original.de/ag- ... rden-soll/ - Mitteilung bei Facebook > https://www.facebook.com/profile.php?id ... 6&fref=ufi

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Am 27.05.2016 bei Facebook gepostet:
Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) in der Pflege. "Eure Sorge fesselt mich", Film des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (rd. 20 Min.) sensibilisiert pflegende Angehörige und Personal in Pflegeeinrichtungen und stellt bewährte Alternativen zu FEM vor: > https://www.youtube.com/watch?v=0APRzj1HsNY - Eine weitere Filmdokumentation von Prof. Dr. Volker Großkopf (rd. 32 Min.) informiert ebenfalls zum Thema FEM, und zwar bei demenziell erkrankten Menschen: > https://www.youtube.com/watch?v=WJp6F24 ... ture=share
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk informiert seit Jahren umfänglich zum Thema FEM. Siehe u.a. die Beiträge
:
viewtopic.php?f=2&t=21046
viewtopic.php?f=2&t=20662
viewtopic.php?f=2&t=21136
viewtopic.php?f=2&t=17643

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Am 23.06.2016 bei Facebook gepostet:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk wirbt seit vielen Jahren: Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM – z.B. Fixierungen)
- Zurückführung in den stationären Pflegeeinrichtungen dringend geboten!
> viewtopic.php?f=2&t=20662


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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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WernerSchell
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"Sensorgesteuerte Weglaufsperre" für 24 Stunden ...

Beitrag von WernerSchell » 10.07.2016, 06:40

Beschluss des Landgerichts (LG) Fulda vom 31.05.2016 - 5 T 83/16 -

Leitsatz:
1. Ein Antrag auf Genehmigung einer sog. "sensorgesteuerten Weglaufsperre" für 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche stellt einen Antrag auf Genehmigung einer Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 BGB und nicht auf Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme gem. § 1906 Abs. 4 BGB dar.
2. Solch eine Maßnahme ist nicht zu genehmigen, wenn die mit der Umtriebigkeit des Betroffenen verbundene abstrakte Gefährdung bislang sich tatsächlich nicht konkretisiert hat und wenn weniger einschneidende Maßnahmen (wie z.B. der Einsatz einer Personenortungsanlage mittels einer GPS-Überwachung) nicht erprobt worden sind.


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Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 30.03.2016 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe
I.
Für den Betroffenen wurde mit Beschluss vom 12.06.2015 wegen Demenz zunächst eine vorläufige Betreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 1), die Schwester des Betroffenen, zur Betreuerin bestellt. Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens der Ärztin Dr. med. H. vom 21.08.2015 (Bl. 33 ff d. A.) hat das Amtsgericht Fulda mit Beschluss vom 13.10.2015 Herrn R. als Mitarbeiter des Vereins AWO Kreisverband Fulda e. V. zum Betreuer des Betroffenen für die Vermögenssorge, gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten einschließlich Insolvenzverwaltung und Grundstücksangelegenheiten bestellt. Weiter wurde die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin des Betroffenen für die Aufgabenkreise der Sorge für die Gesundheit einschließlich der Zustimmung zur ärztlichen Heilbehandlung, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Heim- und Klinikleitung, Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen, Entscheidungen über Fernmeldeverkehr und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post bestellt (Bl. 66 ff d. A.).
Am 23.10.2015 beantragte die Beteiligte zu 1) die Genehmigung einer sensorgesteuerten Weglaufsperre für den Betroffenen von 19.00 - 7.00 Uhr für einen nicht absehbaren Zeitraum. Zur Frage einer Erforderlichkeit freiheitsentziehender Maßnahmen hat das Amtsgericht ein psychiatrisches Gutachten der Ärztin Dr. med. H. vom 08.11.2015 eingeholt, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 97 ff d. A.). Mit Beschluss vom 26.01.2016 (Bl. 114 f d. A.) wurde der Aufgabenkreis der Beteiligten zu 1) als Betreuerin um die Entscheidung über die unterbringungsähnlichen Maßnahmen erweitert. Anstelle des Betreuers R. wurde die Beteiligte zu 2) zur Betreuerin für dessen Aufgabenkreise bestimmt. Mit weiterem Beschluss vom 26.01.2016 wurde die regelmäßige Freiheitsentziehung des Betroffenen mittels einer sensorgesteuerten Weglaufsperre während der Abend- und Nachtzeit nach ausdrücklicher Anordnung des behandelnden Arztes bis zum 25.01.2018 auf Antrag der Betreuerin gerichtlich genehmigt.
Am 29.02.2016 beantragte die Beteiligte zu 1) die Genehmigung einer weitergehenden sensorgesteuerten Weglaufsperre, da die bisherige Vorrichtung nur während der Abend- und Nachtzeit angesichts der Umtriebigkeit des Betroffenen nicht mehr ausreiche. Hierzu hat das Amtsgericht ein weiteres Gutachten der Ärztin Dr. H. vom 23.03.2016, auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird, eingeholt (Bl. 150 ff d. A.). Der Betroffene wurde hierzu am 30.03.2016 persönlich angehört (Bl. 155 d. A.). Mit Beschluss vom 30.03.2016, auf dessen Gründe verwiesen wird (Bl. 156 ff d. A.), hat das Amtsgericht die Genehmigung zur geschlossenen Unterbringung des Betroffenen nicht erteilt und damit den konkludenten Antrag auf Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 30.03.2016 eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 1), die auch tagsüber eine Weglaufsperre für den Betroffenen für erforderlich erachtet. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Verfahrenspfleger des Betroffenen hat mit Stellungnahme vom 10.05.2016 die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Die Beschwerde der Betreuerin ist gem. §§ 58 ff FamFG statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 1906 Abs. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Dies gilt gem. § 1906 Abs. 4 BGB entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. Die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB ist aufgrund des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht der betroffenen Person streng am Erforderlichkeitsgrundsatz zu messen und darf nur erteilt werden, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Gemessen an diesen Maßstäben ist gegen die angefochtene Entscheidung nichts zu erinnern und rechtfertigt auch der Sachstand im Beschwerdeverfahren eine andere Beurteilung nichts.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Genehmigung der sog. "Sensorgesteuerten Weglaufsperre" für 24 Stunden und an 7 Tagen in der Woche zu Recht nicht nur als freiheitsentziehende Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB, sondern als Antrag auf Genehmigung einer Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 BGB gewertet. Die Genehmigung einer "sensorgesteuerten Weglaufsperre" stellt für den Betroffenen tatsächlich die dauerhafte Versperrung der Ausgangstür dar, da der Betroffene zu keiner Zeit ohne die gesonderte Öffnung der Tür durch das Pflegepersonal die Einrichtung verlassen kann. Dies läuft tatsächlich auf eine Unterbringung hinaus. Die Voraussetzungen hierfür hat das Amtsgericht zutreffend als nicht gegeben angesehen, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugende Abwägung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden kann.
Die Kammer verkennt bei ihrer Entscheidung nicht, dass die Sachverständige Dr. med. H. in ihrem Ergänzungsgutachten vom 23.03.2016 die beabsichtigte freiheitsentziehende Maßnahme der sensorgesteuerten Weglaufsperre aus gutachterlicher Sicht als erforderlich und geeignet angesehen hat, den Betroffenen davor zu schützen, sich am Tage und in der Nacht zu verlaufen, so dass sie eine Erweiterung der Zeiten aus gutachterlicher Sicht prinzipiell nach ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung empfohlen hat. Sie hat aber gleichzeitig empfohlen, zu überprüfen und zu erproben, welche Möglichkeiten bestehen, die es dem Betroffenen ermöglichen, seine Fortbewegungsfreiheit tagsüber soweit möglich beizubehalten. Wenn das Amtsgericht nach Abwägung aller Umstände die beantragte sensorgesteuerte Weglaufsperre für 24 Stunden täglich als nicht verhältnismäßig angesehen hat, ist dies nicht zu beanstanden. So hat es überzeugend darauf abgestellt, dass bislang keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sich die mit der Umtriebigkeit des Betroffenen verbundenen abstrakten Gefährdungen bislang tatsächlich auch konkretisiert haben. Ferner wurde zu Recht darauf abgestellt, dass alternative und weniger einschneidende Maßnahmen wie etwa der Einsatz einer Personenortungsanlage mittels einer GPS-Überwachung bislang nicht erprobt worden sind. Insofern haben sich im Beschwerdeverfahren aus der Stellungnahme des Verfahrenspflegers vom 10.05.2016 auch Umstände ergeben, die gegen die Erforderlichkeit der beantragten sensorgesteuerten Weglaufsperre sprechen. Das Pflegeheim hat dem Verfahrenspfleger mitgeteilt, dass der Betroffene derzeit eine Armbanduhr mit integriertem GPS-Ortungsgerät trage. Sendet man dieser Uhr eine SMS, so teile sie automatisch mit einer Rück-SMS die Koordinaten mit, an denen sich der Betroffene aktuell befände. Dies werde dann auf dem Handy in einer Karte angezeigt. So sei jederzeit nachzuvollziehen, wo sich der Betroffene aufhalte. Der Betroffene laufe fast jeden Tag zu seiner Schwester nach K.. Durch die GPS-Uhr sei dies nach den Angaben der zuständigen Pflegekraft jetzt zumindest sicherer. Gefährdungsmomente seien nicht geschildert worden.
Bei dieser Sachlage wird daher nunmehr eine alternative und weniger einschneidende Maßnahme, die GPS-Ortung, erfolgreich eingesetzt, um etwaigen Gefährdungen für den Betroffenen zu begegnen und seinen Aufenthalt jederzeit nachvollziehbar zu machen. Gegenüber dieser geeigneten Maßnahme ist eine ganztägige sensorgesteuerte Weglaufsperre als unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff anzusehen, so dass sich der angefochtene Beschluss auch nach dem Sachstand im Beschwerdeverfahren als zutreffend erweist.
Der Beteiligten zu 1) ist zu der Stellungnahme des Verfahrenspflegers rechtliches Gehör gewährt worden. Hierzu hat sie keine Stellungnahme mehr abgegeben.
Nach alledem war ihre Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Vor dieser Entscheidung war eine nochmalige persönliche Anhörung des Betroffenen durch die Kammer gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht angezeigt. Der Betroffene ist zeitnah vom Amtsgericht angehört worden. Er ist zudem von einem Verfahrenspfleger vertreten, der in seinem wohlverstandenen Interesse Stellung genommen hat. Von einer erneuten Anhörung können daher keine zusätzlichen Erkenntnisse erwartet werden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 25 Abs. 2 GNotKG).

Quelle: Mitteilung vom 08.07.2016 Guy Walther
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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WernerSchell
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Freiheitsentziehende Maßnahmen (feM)? ...

Beitrag von WernerSchell » 18.07.2016, 06:23

Am 11.07.2016 bei Facebook gepostet:
Freiheitsentziehende Maßnahmen (feM)?
--- Anbringen eines Sendearmbands bzw.
sensorgesteuerte Weglaufsperre für 24 Stunden ...

Zwei Gerichtsbeschlüsse vom 25.& 31.05.2016 informieren:
> viewtopic.php?f=2&t=21648
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WernerSchell
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FeM in den Pflegeeinrichtungen zurückführen !

Beitrag von WernerSchell » 18.07.2016, 06:38

Am 18.07.2016 bei Facebook gepostet:

Freiheitsentziehende Maßnahmen (feM) in den Pflegeeinrichtungen müssen, soweit möglich, zurückgeführt werden. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ist im Zusammenwirken mit der hiesigen Heimaufsicht seit längerer Zeit intensiv um entsprechende Folgerungen bemüht. Darüber wurde bereits vor Jahren auch in der Gesundheitskonferenz des Rhein-Kreises Neuss informiert. Dass jetzt der "Werdenfelser Weg" irgendwelche Erfolgsmeldungen für sich verbucht, ist aus hiesiger Sicht weniger nachvollziehbar. Näheres ergibt sich aus einem Brief an die NGZ > viewtopic.php?f=2&t=20662&p=93318#p93318 - Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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